Julia Freudenberg ist Rostocks erste Finanzamtschefin

Im Rostocker Finanzamt hat erstmals eine Frau das Sagen: Julia Freudenberg ist am Montag offiziell in das Amt als Vorsteherin eingeführt worden. Finanzminister Reinhard Meyer (SPD) spricht von einem besonderen Tag, schließlich werde der 52-Jährigen das größte Finanzamt des Landes anvertraut. Die wichtigsten Unternehmen Mecklenburg-Vorpommerns werden in Rostock zentral geprüft. „Hier liegt die Verantwortung für einen Großteil des Steueraufkommens“, betont Meyer in seiner Ansprache vor rund 70 Gästen aus Wirtschaft, Verwaltung und Politik. Freudenberg bedankt sich für das Vertrauen. „Für mich schließt sich damit ein Kreis“, sagt die gebürtige Hildesheimerin (Niedersachsen). Vor 22 Jahren hat die Juristin im Finanzamt Rostock ihre Laufbahn in der Steuerverwaltung begonnen. Zuletzt war sie neun Jahre lang Vorsteherin des Finanzamtes in Wismar, wo sie für rund 120 Mitarbeiter zuständig war – nun sind es etwa 400. „Eine größere Behörde bedeutet eine größere Herausforderung. Und da ich noch nicht so alt bin, geht da noch etwas“, erklärt die Finanzbeamtin ihre Motivation und lacht. Vorgänger Stapelfeld ist nun Lotto-Chef: Freudenberg folgt auf Ait Stapelfeld, der 13 Jahre lang Vorsteher des Rostocker Finanzamtes war und seit Sommer Geschäftsführer der landeseigenen Verwaltungsgesellschaft Lotto und Toto in Mecklenburg-Vorpommern ist. „Es war eine beeindruckende und erlebnisreiche Zeit. Wir haben viele neue Dinge umgesetzt“, blickt Stapelfeld zurück. Unter seiner Führung ist das Finanzamt an der Möllner Straße saniert worden – fast die Hälfte der Mitarbeiter musste vorübergehend in den Sirius-Park umziehen. Auch wurde die Großbetriebsprüfung in Rostock zentralisiert. Nun habe es Stapelfeld jedoch gereizt, etwas anderes zu probieren. „Ich bin sehr dankbar, dass ich die Chance dazu bekommen habe“, sagt der 59-Jährige, der sich einst auch schon als Oberbürgermeister-Kandidat in Rostock zur Wahl gestellt hatte. Seiner Nachfolgerin bescheinigt Stapelfeld eine gute Arbeit in Wismar. Auch kenne sie sich aus im Hause – Freudenberg war bereits von 2009 bis 2011 Stapelfelds Vertreterin in Rostock. Bei rund 1,5 Milliarden Euro lag das Steueraufkommen im Finanzamt Rostock im Jahr 2018. Das entspricht rund 30 Prozent des Steueraufkommens im gesamten Land. Mit etwa 400 Mitarbeitern hat Rostock das größte Finanzamt in Mecklenburg-Vorpommern. Etwa 70 Beamte sitzen in der IT-Abteilung, die einen eigenen Sitz an der Schlesinger Straße hat. Von hieraus wird die IT-Infrastruktur aller zehn Finanzämter des Landes betreut. Fast 25 000 Betriebe werden vom Finanzamt Rostock betreut. Das entspricht einem Fünftel aller Firmen in MV. Die größten Unternehmen des Landes ab einem Umsatzerlös von 39 Millionen Euro werden hier zentral geprüft. Selbstbewusst und zielstrebig: Finanzminister Meyer lobt die neue Finanzamtschefin als selbstbewusst und zielstrebig. Neben ihrer täglichen Arbeit erledigte sie bereits Sonderaufgaben: So habe sie unter anderem bei der Besteuerung der Renten im Ausland wichtige Weichen für das Land gestellt. „Dass wir die Besteuerung der Auslandsrentner heute stellvertretend für alle Bundesländer in Neubrandenburg vornehmen und damit wichtige Arbeitsplätze im Land gehalten haben, ist auch dem Einsatz von Julia Freudenberg zu verdanken“, sagt Meyer. Er spricht von einem großen Erfolg. „Da bin ich als Finanzminister stolz drauf.“ Leidenschaftliche Gärtnerin: Freudenberg ist verheiratet und in ihrer Freizeit leidenschaftliche Gärtnerin. „Aber ich baue kein Gemüse an. Mir geht’s um Ästhetik und Schönheit.“ Sie interessiere sich für Landschaftsarchitektur und Gartengeschichte. Auch die französische Sprache habe es ihr angetan. Für ihre Arbeit im Rostocker Finanzamt hat Freudenberg ebenfalls sprachliche Ziele: „Wir als Verwaltung müssen uns bürgerfreundlicher ausdrücken.“ Das sei nicht einfach, weil das Steuerrecht „irre kompliziert“ ist, wie Freudenberg sagt. „Aber es ist mir ein Anliegen, dass frei verfasste Schreiben künftig so formuliert werden, dass der Otto-Normal-Verbraucher sie versteht.“ In einem bundesweiten Projekt werde bereits mit dem Institut für Deutsche Sprache an einem neuen Konzept gearbeitet. Eine erste Erkenntnis: Schon mit der offiziellen Bezeichnung ihres Amtes als „Vorsteherin“ könne die Bevölkerung nichts anfangen, so Freudenberg. „Das Wort ,Amtsleiter‘ ist da besser geeignet“, sagt die 52-Jährige. Image des Finanzamtes aufpolieren: Zuletzt waren die zehn Finanzämter Mecklenburg-Vorpommerns öffentlich in den Fokus geraten, weil die Bearbeitung der Steuererklärung hier bundesweit mit am längsten dauert. Auch hier will Freudenberg nachbessern: Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 53 Tagen im Finanzamt Rostock soll auf 50 Tage gesenkt werden. Die Amtsvorsteherin betont allerdings, dass Schnelligkeit kein Ausweis von Qualität sei. „Die Bearbeitung sollte zügig und richtig sein.“ Die neue Chefin will grundsätzlich das Image des Finanzamtes aufpolieren. Mitarbeiter sollen selbstbewusster auftreten und sich im täglichen Kontakt mit den Bürgern einer zunehmenden Staatsfeindlichkeit entgegenstellen. „Der Rechtsstaat ist die Grundlage für unsere Wirtschaft. Und die Wirtschaft ist die Grundlage für unseren Wohlstand“, so Freudenberg. Die gleichmäßige Erhebung von Steuern sei hierbei eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren des Gemeinwesens und für den sozialen Frieden. 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