Kanzlerin diskutiert mit Jugendlichen

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will sich für einen weiteren Abbau der Diskriminierung von Behinderten auf dem Arbeitsmarkt einsetzen. Eine Möglichkeit sieht sie beispielsweise in der öffentlichen Nennung von Betrieben, die sich nicht an die gesetzlich vorgegebenen Einstellungsquoten von Behinderten halten. Das erklärte sie gestern in Rostock. „Gut leben in Deutschland“ heißt der Bürgerdialog zur Lebensqualität mit der Bundeskanzlerin. Ihr zweiter Bürgerdialog führte sie zu einem Blitzbesuch in die Hansestadt ins Schulzentrum „Paul Friedrich Scheel“. In rund 90 Minuten diskutierte sie mit 33 Schülern zwischen 14 und 17 Jahren über die Themenbereiche Umwelt und Klima, Gleichberechtigung sowie Inklusion. Massentierhaltung solle unterbunden, die Politik umweltfreundlicher, die Ehen von Lesben und Schwulen zugelassen und Behinderte auf dem Arbeitsmarkt nicht diskriminiert werden, benannten die Schüler aus dem Förderzentrum, was aus ihrer Sicht die Lebensqualität in Deutschland verbessern könnte. Angela Merkel versuchte, den Jugendlichen die Welt der Politik zu erklären. Zwischen berechtigten Wünschen und dem Machbaren liegen mitunter eben größere Abstände. Beispiel Massentierhaltung. „Die Tiere müssen sich doch wenigstens noch drehen können“, sagt Hannes. Die Kanzlerin verweist auf bestehende Gesetze und Vorschriften. Mache man die noch strenger, könne es sein, dass es große Hühnerfarmen in Deutschland gar nicht mehr, dafür aber in Frankreich oder Polen gebe. Dort gelten eben nicht die deutschen Standards. Und auch diese Hühner würden dann in Deutschland verkauft. „Viele Menschen kaufen einfach die billigsten Lebensmittel“, macht sie auf das Problem aufmerksam. Auch wenn es schwer sei, in ganz Europa einheitliche Standards bei der Tierhaltung einzuführen, sei dies das erklärte Ziel der Bundesregierung. Nicht nur Behinderte, auch Jugendliche mit Migrationshintergrund oder schwule und lesbische Menschen hätten es oft schwerer als andere. Merkel nennt in diesem Zusammenhang das Anti-Diskriminierungsgesetz, das jegliche Art von Ausgrenzung verbiete. Trotzdem wisse sie, dass etwa Jugendliche mit türkischen oder arabischen Namen schlechtere Chancen auf eine Ausbildungsstelle haben als solche mit deutschen Namen. Anonyme Bewerbungen könnten das Problem lösen. • Informationen und Forum: www.gut-leben-in-deutschland.de Mädchen aus dem Libanon erzählt unter Tränen ihre Geschichte Politik kann sich konkret im Leben widerspiegeln. Im Gespräch mit den Mädchen und Jungen aus dem Schulzentrum „Paul Friedrich Scheel“ wurde Angela Merkel gestern mit dem Schicksal eines Mädchens palästinensischer Abstammung aus dem Libanon konfrontiert. Deren Familie stand vor der Abschiebung, und deren Status ist nach vier Jahren immer noch ungeklärt. „Dieser ungeklärte Zustand belastet uns schon seit vier Jahren, mein Vater ist Schweißer und darf nicht arbeiten“, sagte das Mädchen Reem in perfektem Deutsch und unter Tränen. Seit Jahren habe sie auch den Rest ihrer im Libanon lebenden Familie nicht mehr gesehen, berichtet Reem. „Es ist nicht gut, dass es so lange dauert“, erwidert die Kanzlerin. Die mächtigste Frau erklärt, dass sie für das Mädchen nicht mehr tun kann. Sie spricht über die Anstrengungen der Bundesregierung, das Flüchtlingsproblem in den Griff zu bekommen. „Du bist ein unheimlich sympathischer Mensch“, sagt Merkel. Aber Reem wisse auch, dass in den Lagern im Libanon noch Abertausende Flüchtlinge sitzen. Deutschland könne es nicht schaffen, allen Flüchtlingen im Nahen Osten oder denen in Afrika zuzurufen: „Ihr könnt alle kommen.“ „So kann man doch nicht mit einem kleinen Mädchen umgehen“, sagt eine Lehrerin erbost. Der Kanzlerin fehle doch jegliche Empathie. Reems Schicksal geht den Zuhörern tief ins Herz. Seit vier Jahren ist sie erst an der integrativ arbeitenden Schule, hat in dieser Zeit fließend Deutsch und Englisch gelernt, etwas Schwedisch auch. Merkel wirkt kühl, als sie sagt, dass künftig keiner mehr vier Jahre auf einen Bescheid zum Asylantrag warten solle. Der Libanon gelte nicht als Bürgerkriegsland. Es seien dort zwar keine sehr guten Lebensumstände, aber es gebe viele Menschen, denen es noch viel schlechter gehe. „Jetzt wollen wir ein beschleunigtes Verfahren machen, davon könntest du vielleicht profitieren.“ Reem lässt nicht locker. „Ich habe Ziele, wie alle anderen.“ Sie möchte studieren. Hinweis: Zunächst war dem Text ein Foto eines Mädchens beigefügt, dass fälschlicherweise als Reem betitelt wurde. Wir haben das Bild entfernt. Thomas Sternberg

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