Küsse, Luftballons und Freudentränen

Besucheransturm im Marinestützpunkt. Und alles Zivilisten: Mütter, Väter, Freundinnen und Kinder. Sie kommen mit Blumen oder Luftballons und viele mit mit selbst gemalten Transparenten. Mit dabei ist Familie Berndt aus Bützow. Sie will Obermaat Benjamin Berndt in die Arme schließen — er war mit 68 weiteren Besatzungsmitgliedern des Tenders „Donau“ ein halbes Jahr lang im Nordatlantik und in der Ostsee unterwegs. Im Dienste der Nato. Das Versorgungsschiff der Deutschen Marine war Flaggschiff des ständigen Minenabwehrverbandes des Nordatlantikpakts. Ein halbes Jahr lang, seit dem Auslaufen am 16. Januar, hatte hier der aus den Niederlanden eingeschiffte Stab des Flottenverbandes seine Führungsplattform. Obermaat Berndt hat seine Familie schon vom Schiff aus an Land entdeckt, als die Festmacher noch bei der Arbeit sind, die Leinen über die Poller legen. Kein Wunder: Mutter Helga Brandt und Schwester Marleene Stampe haben einen Kopfkissenbezug geopfert und mit Hilfe von Nichte Shawna (5) ein Transparent gebastelt. „Hallo Beni, willkommen zu Hause“, steht darauf geschrieben. Auch die Besatzung der „Donau“ hat sich einen Willkommensgruß ausgedacht. Als sich das Schiff der Kaikante nähert, steigen hunderte schwarze, rote und gelbe Luftballons in den Himmel, und die Matrosen spannen ein Transparent auf. „Heimat ist kein Ort. Heimat ist ein Gefühl. Heimat seid Ihr“ steht in großformatigen Buchstaben an Deck des Schiffes. „Ausdruck dessen, was man auf See denkt, fernab von zu Hause“, wird Benjamin Berndt später berichten. „Wir alle haben uns das ausgedacht.“ Blasmusik vom Landespolizeiorchester ertönt, als der Kommandant des Schiffes, Martin Dellin (34) von Bord geht. Das militärische Zeremoniell gerät kurz. Meldung, Antreten der Besatzung, kurze Rede des Stützpunktkommandanten Jörn Rühmann. „Ich bin stolz, das Schiff wieder im Hafen zu haben. Aber noch mehr stolz bin ich auf Sie“, sagt er den Männern und Frauen in der Appell-Formation. Die stehen stramm, aber lassen ihre Blicke schweifen, auf der Suche nach ihren Leuten. Rühmann gibt einen Rückblick auf den Einsatz. Der Nato-Verband nahm an mehreren Übungen teil, berichtet er, nennt als Höhepunkte die Manöver „Joint Warrior“ im nördlichen Atlantik und „Baltops“ vor der Küste Lettlands. 9244 Seemeilen habe die „Donau“ zurückgelegt, in zwölf Häfen von neun Ländern festgemacht, in Amsterdam und Kopenhagen, Glasgow, Gedyna und Tallin. „Ich bin mir bewusst, dass nur noch ich zwischen Ihnen und Ihren Angehörigen stehe“, sagt Rühmann und befiehlt „Weggetreten!“ Endlich: Umarmungen, Küsse, Freudentränen. Oberbootsmann Karsten Demme schließt Ehefrau Inga und Töchterchen Cataleya fest in die Arme. Das kleine Mädchen weiß nicht recht, was gerade passiert. Sie ist eineinhalb Jahre alt — ein Drittel ihres Lebens hat sie ihren Vater nicht gesehen. „Sie wird sich an mich gewöhnen“, sagt Karsten Demme und streichelt der Kleinen zärtlich das Gesicht. „Sechs Monate sind eine lange Zeit.“ Auch der Oberstabsgefreite Danny Menzel hat seine Freundin Rice Fischer aus Berlin schnell gefunden. Gemeinsam mit Mutter Sabine Menzel hat sie mit großen, roten Herz-Luftballons auf sich aufmerksam gemacht. „Schön, dass Du wieder da bist“, sagt Rice. Benjamin Berndt albert mit seiner Nichte Shawna herum. Das hilft, denn etwas enttäuscht ist er doch: Freundin Anja Töllner kann er erst am Abend umarmen. Sie sitzt gerade in der Berufsabschlussprüfung: Heilerziehungspflegerin. Versorgungsschiff für Korvetten und Schnellboote Der Tender „Donau“ dient hauptsächlich als Versorgungsschiff für die Korvetten des Warnemünder Korvettengeschwaders. Er hat Kraftstoff, Wasser, Lebensmittel, Ersatzteile und Munition an Bord. An Bord befinden sich eine Abwasseraufbereitungsanlage, ein Flugdeck und eine Krankenstation. Klaus Walter

Hohe Düne - Küsse, Luftballons und Freudentränen