Meisterliche Lehrer fordern Höchstleistungen

Still sitzen kann Cellist Alban Gerhardt nicht. Sein Unterricht ist dynamisch, seine Mimik zeigt mal volle Konzentration, dann einen verwunderten Blick — er zweifelt den Sinn der Komposition an — um im nächsten Schritt seinem Studenten Konstantin Bruns das Cello abzunehmen. „Sie haben schon eine gute Bogentechnik“, sagt der Echo-Gewinner dem 22-Jährigen, während er selbst am Instrument den Feinschliff für das Dvorák-Stück sucht. Zum 20. Mal veranstaltet die Rostocker Hochschule für Musik und Theater (HMT) den Sommercampus mit international besetzten Meisterkursen. Eine Woche lang treffen ausgewählte Musikstudenten auf namhafte Kursleiter, üben und geben Konzerte. „Das Besondere hier an der HMT ist ja, dass Solisten auch mit dem Orchester spielen können“, sagt Enthusiast Alban Gerhardt und gibt seinem Studenten Bruns das Instrument zurück. „War Ihnen mein Spiel nach den Noten zu schnell?“, fragt der 46-Jährige. Er wolle, dass sich die Meisterkursteilnehmer mit eigenen Ideen einbringen, begründet er die Nachfrage. Während Cellist Gerhardt nach eigener Aussage „ohne Konzept“ und sonst auch nie unterrichtet, ist Bassbariton Thomas Quasthoff in der Nachwuchsbildung förmlich. Direkt, mit Witz und geschliffener Sprache treibt er seine Studenten auf angenehme Art zu Höchstleistungen. „Wollen Sie nun Sängerin werden?“, fragt er Lydia Krüger. „Natürlich.“ — „Dann öffnen Sie sich, seien Sie nicht so schüchtern“, fordert der weltbekannte Sänger, der mit einer Contergan-Schädigung geboren wurde. Dutzende Male stoppt Thomas Quasthoff die Gesangsstudentin in den ersten zwei Versen. Mehr Emotionen, die Oberlippe vor die Unterlippe. „Leute, dass macht ihr beim Sprechen doch auch alle richtig“, sagt er und zeigt Lydia Krüger und dem Publikum, wie komisch das Gegenteil ausschaut. Lydia Krüger lacht, setzt neu an. Unterbrechung. „Bitte reinste Vokale und nicht an der falschen Stelle atmen“, betont Lehrer Quasthoff. Die nächste Phrase klappt gut. Quasthoff lobt sie, ist begeistert, dass die 25-Jährige sich endlich geöffnet hat. „Ja, das will ich sehen, so ist es gut.“ Noch einmal. „Keine Noten verstecken“, mahnt er sie mit hochgezogenen Augenbrauen. „Ich liebe Bach, jeden Ton“, sagt er und alle lachen. Man glaube gar nicht, was man alles falsch machen könne beim Singen, tröstet er Krüger nach der anstrengenden Stunde. Die ist angetan von ihrem fordernden Dozenten. „Seine insistierende Art tut mir total gut, das bringt wirklich etwas.“ Quasthoff schmunzelt. Das Ergebnis zähle, und sicher will er aus jedem das Beste rausholen. „Ich bilde aus, damit Menschen vom Singen leben können“, sagt er im OZ-Gespräch. Dass er manch höheren Semestern allerdings noch Geradestehen und gute Aussprache beibringen müsse, spräche nicht für deren Lehrer, kritisiert er. 150 Studenten aus 33 Nationen nehmen an den achttägigen Meisterkursen an der HMT teil. Die musikalische Leitung hat Wojciech Rajski, der mit der Norddeutschen Philharmonie Rostock neun Orchesterproben und vier Orchesterkonzerte dirigiert. Neben Grammy-Gewinner Quasthoff erteilen Violinistin Tanja Becker-Bender, Sängerin Fionnuala McCarthy, Posaunist Jamie Williams, Bratscher Máté Szucs und Hamish Milne vom Fauré-Quartett die Meisterkurse. Konzerte Sommercampus Auswahl: Mittwoch, 17.30 Uhr: Violoncello (Kammermusiksaal HMT); 19.30 Uhr: Mozart-Nacht (Stiftskirche Bützow); 19.30 Uhr: Kammermusik-Gipfel (Barocksaal Rostock) Donnerstag, 17.30 Uhr: Kurskonzert Posaune (Kammermusiksaal HMT); 19.30 Uhr: Cello-Marathon (Niendorf auf Poel, Scheune des Gutshauses) • Programm: www.hmt-rostock.de Claudia Tupeit

Östliche Altstadt - Meisterliche Lehrer fordern Höchstleistungen