Menschen, Meer und Musik: Malerin findet Heimat an der See

„Ich bin angekommen“, sagt Sigrid Strohschen und lässt keinen Zweifel zu. Die 54-Jährige, Malerin und Bildhauerin, hat sich „an die Ostsee gemalt“. Menschen und Meer waren schon immer ihre Motive, auch fern der See. Hinzu kommt die Musik als Motiv. „Hier und jetzt denke ich plötzlich über Immobilien nach“, gesteht die Künstlerin, die „immer mobil und beweglich“ bleiben wollte. Einen Garten habe sie schon gekauft. „Menschen, die mich lange kennen, verstehen das nicht“, sagt sie. „Aber ich habe hier meine Heimat gefunden.“ Seit zwei Jahren lebt Ingrid Strohschen in Rostock, vor knapp zwei Monaten hat sie ihr neues Atelier in Warnemünde eröffnet. Ihr „Altstadtatelier“ in der Rostocker Wollenweberstraße 44 wird sie im Sommer aufgeben, sich ganz auf Warnemünde konzentrieren. Malkurse für Einheimische und Urlauber sind geplant, die ersten laufen schon. Gerade hat sie eine Ausstellung in Graal-Müritz eröffnet. Geboren und aufgewachsen ist Sigrid Strohschen in Mönchengladbach (Nordrhein-Westfalen). „Zu Hause gefühlt habe ich mich dort nie“, erzählt sie. Ihr Mutter, Vertriebene aus Swinemünde, habe immer wieder einen Satz gesagt: „Wir sind nicht von hier.“ So wuchs die Sehnsucht nach der Ostsee — die zunächst aber in Holsteinschen Gefilden bitter enttäuscht wurde. „Grauenhaft“, sagt Sigrid Strohschen. „Das war nicht die Ostsee aus den Erzählungen am heimischen Küchentisch.“ Erst nach dem Mauerfall lernte sie „die richtige Ostsee“ kennen, mal silbrig, mal grün, dann wieder dunkelblau, mit klarem Wasser und weißen Stränden. Es sollte noch bis 2003 dauern, bis Sigrid Strohschen — inzwischen Inhaberin einer Werbeagentur — den Sprung ins freiberufliche Künstlerdasein wagte. „Erst als meine Tochter aus dem Haus war, hatte ich den Mut dazu“, sagt Strohschen. Dann hat sie sich mit ihren Motiven an die Ostsee gemalt. Dass sie sich für Rostock entschied, ist eher ein Zufall. Sie stolperte über eine Anzeige: ein Bauwagen, zum Wohnen geeignet, gleich vor der Stadt. Sie verkaufte Hab und Gut, packte ihren Kombi voll und fuhr los — und kam im Februar 2013 bei minus 16 Grad an. Menschen und Meer in Malerei und Plastik sind ihr Arbeitsfeld. Nicht nur brav und schön, sondern oft sozialkritisch und provokativ. Und trotzdem so, dass sich der Betrachter nicht schockiert abwendet: Kindesmissbrauch, die Ausbeutung Afrikas, die somalische Männer zu Piraten werden ließ, Demenz. Drittes Motiv ist die Musik. „Ich kann Musik sehen“, sagt Sigrid Strohschen. „Als Kind dachte ich, alle Menschen können das. Als ich merkte, dass das nicht so ist, hielt ich lieber meine Klappe.“ Sagt es, lacht und zeigt ihre Bilder: „Sehen und Hören wird eins, wenn man die Werke dazu abspielt. Von Ausstellungsbesuchern weiß ich, dass es funktioniert.“ Eigentlich war es die Liebe zur Musik, die in ihrer Wiege lag. Im Alter von acht Jahren erhielt Sigrid Strohschen ein Stipendium für eine Gesangsausbildung. Eine Tuberkuloseerkrankung beendete die Träume vom Leben als Sängerin. Die Malerei füllt seitdem ihr Leben — wieder mit einem Kunststipendium, mit dem sie als Zehnjährige erste Förderung erhielt. „Die Kunst ist in mir“, sagt sie. „Sie muss heraus.“ Das heiße aber nicht, dass das alles „von mir ist“. Strohschen: „Eigentlich fühle ich mich wie eine Hebamme. Die Kunst ist da, ich hole sie nur hervor.“ Ausstellungen von Sigrid Strohschen und Schülern Sigrid Strohschen (54), Malerin und Bildhauerin, hat ihr Atelier in der Mühlenstraße 47 in Warnemünde. Aktuelle Ausstellungen: noch bis 26. April: „Mensch & Meer“, Tourismus- und Kur GmbH, Rostocker Straße 3, Graal-Müritz; ab 20. März: „SchülerInnen stellen aus“, Alstadt-Atelier, Wollenweberstraße 44, Rostock; ab 27. März: „credo ergo sum II“, Ev.-Luth. Zentrum Kirchlicher Dienste, Am Markt 19, Rostock • Informationen zu Malkursen über info@altstadt-atelier-strohschen.de Eigentlich fühle ich mich wie eine Hebamme. Die Kunst ist da, ich hole sie nur hervor.“ Sigrid Strohschen Klaus Walter

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