Mit 80 noch ein begehrter Seemann

„Wenn sie mich brauchen“, schränkt er ein. Stolz zeigt er seine aktuelle Seediensttauglichkeitsbestätigung. „Ich werd‘ sie noch einmal machen, dann aber etwas kürzer treten“, kündigt er an. „Ich mach noch, bis die für mich einen Nachfolger haben.“ Manja Pyritz vom Vereinsvorstand will dies aber nicht glauben. Mit einem 80-Jährigen als Kapitän hat sie kein Problem. „So gesund und fit und zuverlässig — so einen musst du erst mal finden“, lobt sie. Sie wünscht sich, dass Ruschau noch lange am Ruder steht. Schon als kleiner Junge fuhr er mit dem Großvater Hermann Ruschau, bei dem er aufwuchs, mit dem Zwölf-Meter-Kutter „Herta“ zum Fischen hinaus. Beim Großvater erlernte er auch den Beruf, ging dann zur Hochseefischerei, um kurze Zeit später beim Warnemünder Fischer Hermann Hahn als Matrose anzuheuern. „Ich wollte nie etwas anderes machen, als zur See fahren“, sagt er. Nachdem 1955 die Fischereiproduktionsgenossenschaft (FPG) gegründet wurde, ging Hahn 1956 in den Westen. Und Ruschau in die FPG. „Das war eine wunderbare Zeit“, schwärmt er. „Gutes Geld. Keine Sorgen. Der Absatz war gesichert.“ 1990, mit 58 Jahren, nahm er die damalige Möglichkeit der Altersübergangsregelung wahr. „Für mich bedeutete das aber nur rumsitzen.“ Wenn sich Ehefrau Erna (80) daran erinnert, wie ihr Karl-Heinz unter dem ,Ruhestand‘ litt , glaubt sie es auch noch nicht, dass er sich jetzt wirklich zur Ruhe setzt. „Er braucht das einfach“, sagt sie. Und freut sich mit ihm. Auch ihr nimmt man nicht ohne weiteres ab, dass sie das achte Lebensjahrzehnt bereits vollendet hat. Beide verbinden fast 60 Jahre Ehe. „So was wollten wir doch gar nicht erzählen!“, schaut Erna Ruschau etwas finster drein, als ihr Karl-Heinz sehr detailliert schildert, wie es damals zwischen ihnen beiden geknistert hat. Und teilt einen Augenblick später aber doch mit einem Lächeln die Erinnerung. „1949 war‘s“, sagt der Mann. „Im Volkshaus — was heute das ,Haus des Sports‘ ist.“ Die Kapelle war zusammengewürfelt. Einer konnte Akkordeon spielen. Der andere Saxofon. Sie war 17, er gerade einmal 16. „Wonach wir damals tanzten? ,Kaprifischer‘ . . . ,Oh sagt doch nicht immer Dicker zu mir‘ . . . Ich glaube, es war ,Eine Insel aus Träumen‘ als es mit uns passierte.“ Karl-Heinz stimmt die Strophe an. „Nein, nein — bei den Klaashahns bin ich nicht“, lacht er. Zu viel Stress. Der Shantychor habe zwar mal angefragt, doch sein Leben, das waren und sind die Seefahrt und die Fischerei. Der alte Fischer lebt seinen Lebenstraum einfach weiter. Sollte aber doch Schluss sein, dann haben beide reichlich Pläne. „Wir reisen gern“, sagt der Mann. „Am liebsten mit dem Bus.“ Ihr Ziel: die schönsten Winkel Deutschlands. Gibt es ein Geheimnis, wie man sich so lange so fit halten kann? „Ich rauche nicht. Ich trinke ganz wenig Alkohol. Und ich schaue mich jeden Tag ausgiebig in Warnemünde um“, sagt Karl-Heinz Ruschau. Er verbinde Einkäufe und sonstige Erledigungen mit einem ausführlichen Spaziergang. Montag wird Karl-Heinz Ruschau 80 Jahre. Achim Treder

Warnemünde - Mit 80 noch ein begehrter Seemann