Mutmaßlicher Hackerangriff bei Aida: Sind Cyber-Kriminelle so vorgegangen?

Am Tag 13 nach dem mutmaßlichen Hacker-Angriff auf Aida Cruises ist vor der Rostocker Firmenzentrale von Hektik oder Aufregung nichts zu spüren. Fast alle Schreibtische hinter der hohen Glasfassade liegen im Dunkeln, nur in vier Büros brennt Licht. Im Foyer überprüfen zwei Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma anscheinend technische Anlagen. Ansonsten wirkt alles fast wie ausgestorben. Kurz darauf betritt eine junge Frau das Gebäude. Wenig später ist zu sehen, wie sie durch die leeren Büros geht und Zimmerpflanzen gießt. Auf Nachfrage teilt Aida-Sprecherin Martina Reuter mit, dass die „IT-technischen Einschränkungen“ weiter bestehen. Betroffen sei „insbesondere die Kommunikation via Telefon und E-Mail“. Im Internet sind über die Unternehmenswebseite aida.de aber alle Angebote des aktuellen Reiseprogramms weiter buchbar. Die Sprecherin bittet um Verständnis, dass sie sich zu Spekulationen nicht äußere. Das Unternehmen schweigt weiter über die Gründe für den Zusammenbruch seiner Computersysteme. IT-Experte: Alles spricht für Cyberangriff: „Für mich ist klar, dass es sich um einen Cyberangriff von außen handeln muss, weil das Unternehmen selbst die Staatsanwaltschaft eingeschaltet hat“, sagt der Blogger und Fachbuchautor Günter Born. Auch die lange Zeit, die die Probleme nun schon anhalten, spreche dagegen, so der IT-Experte, dass die Gründe innerhalb der Reederei liegen, etwa „weil irgendein Server abgeraucht ist“. Born hält zwei Varianten für wahrscheinlich. Entweder wurde Aida Opfer eines Angriffs mit sogenannter Ransomware. Dabei werden die Daten durch eingeschleuste Programme verschlüsselt und erst gegen ein Lösegeld wieder freigegeben. Laut Rostocker Staatsanwaltschaft ist nichts über eine Lösegeldforderung bekannt. Einbruch durch die Hintertür: Die zweite Variante wäre eine sogenannte „Backdoor“. Dabei verschaffen sich Kriminelle durch eine heimlich angelegte Hintertür im IT-Netzwerk dauerhaften Zugang in das gesamte System und könne es nach Belieben kontrollieren – einschließlich sensibler Bereiche mit Kundendaten. Für einen Angriff spreche außerdem, dass die Probleme an den Weihnachtsfeiertagen begannen, so Born. Kriminelle wählen oft Feiertage oder Wochenenden, weil sie dann wegen ausgedünnter Belegschaften in den Unternehmen auf schwächere Gegenwehr stoßen. Bei beiden Varianten müssten betroffene Firmen ihr gesamtes System bereinigen. Was viel Zeit kosten kann – vor allem bei einer Reederei, bei der die Systeme an Land und auf den Schiffen miteinerander gekoppelt sind. Wochenlang lahmgelegt: Es wäre nicht der erste Fall dieser Art: Die dänische Containerschiff-Reederei A.P. Møller-Mærsk war 2017 nach einer Ransomware-Attacke wochenlang lahmgelegt. Der US-amerikanische Aida-Mutterkonzern Carnival räumte einen Angriff mit Erpressersoftware auf seine Computer im vergangenen August ein, bei dem auch Daten von Mitarbeitern und Kunden gestohlen worden sein sollen. Mehr lesen: Mutmaßlicher Hacker-Angriff bei Aida: Das rät die Verbraucherzentrale MV jetzt den Kunden Mutmaßlicher Hacker-Angriff auf Aida: Das sagt der Anti-Viren-Spezialist von Avira dazu Rostocker Staatsanwaltschaft ermittelt nach IT-Problemen bei Aida Cruises – weitere Absagen IT-Probleme bei Aida in Rostock: Passagier berichtet von Blackout-Gerüchten an Bord Das amerikanische Internet-Magazin „Ship Technology“ berichtete Anfang Dezember von einer Häufung von Cyber-Attacken auf Kreuzfahrt-Reedereien. Ein Grund könnte demnach die Corona-Pandemie sein. Weil viele Mitarbeiter mit schlechter gesicherten Computern von zuhause aus arbeiten, sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass infizierte E-Mails geöffnet werden und Schaden anrichten. Von Gerald Kleine Wördemann