Neubau am Schröderplatz: Das halten Rostocker von dem Entwurf

Am Rostocker Schröderplatz soll ein sechsgeschossiger Neubau mit 23 Wohnungen entstehen. Dafür jedoch muss das historische Eckhaus zum Friedhofsweg weichen, was massive Kritik hervorruft. „Rostock verliert erneut freiwillig Altbausubstanz aus der Gründerzeit, von der andere Städte nur träumen können und alles daransetzen würden, diese zu erhalten“, schreibt OZ-Leser Christoph Hinz. Sein Eindruck: „Es sind stets nur Argumente und Baugutachten zusammengetragen worden, die sich alle gegen den Erhalt der Bestandsgebäude richten.“ Auch eine ältere Anwohnerin ist enttäuscht, wie sie der OZ erklärt: „Das Jugendstilhaus ist immer prägend für diese Ecke gewesen. Diese Originalität gefällt und ist ein Hingucker.“ Das neue Gebäude hingegen sei Architektur auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner. „Es wird sich nur auf das Allernotwendigste beschränkt. Das ist schade“, sagt die Rentnerin. Große Ablehnung in sozialen Medien: In den sozialen Medien stoßen die Pläne ebenfalls auf Ablehnung. „Es ist eine Schande, wie wir mit unseren schönen alten Häusern umgehen“, schreibt Sibylle Glaser auf der Facebook-Seite Rostock-Album. Maritta Heise meint: „Mein Rostock wird immer mehr durch Neubauklötze verschandelt.“ Die meisten Kommentatoren sehen das ähnlich. Christiane Lange beklagt: „Eine Stadt verliert ihr Gesicht.“ Nur vereinzelt gibt es Verständnis. Sven Tetzlaff schreibt: „Eine Stadt lebt nun einmal davon, dass Neues entsteht.“ An der Ecke Schröderplatz/Friedhofsweg entsteht ein in der Spitze sechsgeschossiger Gebäudekomplex. 23 Wohnungen sind hier geplant: acht mit zwei Zimmern, 14 mit drei und eine mit vier Räumen. Die Größen liegen zwischen 43 und 100 Quadratmetern. Für die Wohnungen sind Balkone, Loggien und Dachterrassen vorgesehen. Baustart soll 2021 sein. Entworfen wurde der Komplex vom Berliner Architekturbüro Löser/Lott. Die barrierefreie Erschließung wird über einen Fahrstuhl geregelt. Der führt auch in die Tiefgarage, die 22 Parkplätze bietet. Fahrradstellflächen sind in der Garage und auf der Außenanlage vorgesehen. Der Hof soll einen kleinen Spielplatz bekommen und begrünt werden, genauso wie das Dach des Hauses. Das ans Grundstück angrenzende Gebäude mit dem Kirchengemälde wird in den Innenhof eingebunden. Im Erdgeschoss des Neubaus sind zwei Gewerbeeinheiten für Gastronomie vorgesehen. Das Investitionsvolumen liegt bei acht Millionen Euro. Die Urteile über die Entwürfe des Neubaus sind teilweise vernichtend: „Sieht aus wie ein Knast“, kommentiert Anja Arndt. Uta Ehlers meint: „So ein seelenloses Ungetüm.“ Für Sephira Wickersche passt das neue Haus überhaupt nicht ins Bild: „Dann kann man ja gleich den gesamten Bereich Richtung Doberaner Platz abreißen und neu gestalten“, schreibt sie. Experten loben das Projekt jedoch: Rostocks Gestaltungsbeirat, ein Gremium aus externen Experten, stimmte jedoch für das Projekt. Prof. Claus Anderhalten aus Berlin spricht von einem tollen Entwurf des Hauses, der spannend sei. Die Arbeit des Berliner Architekturbüros Löser/Lott sei vorbildlich. Stadtplaner Cyrus Zahiri, ebenfalls aus Berlin, lobt das sensible Vorgehen und dass bei dem Projekt die Feinheiten genau herausgearbeitet worden seien. Kontrovers haben die Experten allerdings die Höhe des geplanten Gebäudes diskutiert. Neben dem Gestaltungsbeirat sprach sich auch Rostocks Bauausschuss für das Projekt aus. Der Ortsbeirat Kröpeliner-Tor-Vorstadt votierte ebenfalls dafür – mit knapper Mehrheit. „Die erste Reaktion war sehr skeptisch, weil der Blick auf die Ecke mit den nun geplanten Gebäude ungewohnt ist. Bisher gibt es hier eine Baulücke und zwei kleinere Häuser“, sagt Ortsbeiratschef Felix Winter (Grüne). Ihn persönlich überzeugen die Pläne dennoch: „Ich freue mich, dass dort etwas Modernes entsteht.“ WG stellte auch historischen Entwurf vor: Was der Ortsbeirat der Bauherrin, der Wohnungsgenossenschaft Warnow, hoch anrechnet: „Die WG Warnow war dreimal im Gestaltungsbeirat und hat unterschiedliche Entwürfe vorgestellt. Es war ein langer Prozess, in dem sich die Genossenschaft viel Mühe gegeben hat“, sagt Winter. Bereits im März 2016 unterbreitete die WG Warnow einen ersten Vorschlag für die Bebauung, der sich stark an der Historie orientierte. Dieser ist jedoch sowohl durch das Stadtplanungsamt als auch durch den Gestaltungsbeirat abgelehnt worden. Stattdessen wurde eine moderne Architektursprache bevorzugt. Geschäftsführer: Bausubstanz ist nicht mehr zu erhalten: Das historische Eckhaus steht seit neun Jahren leer. Die WG Warnow hat Gebäude und Grundstück vor fünf Jahren erworben. „Ein Gebäude war zum Ankaufszeitpunkt wegen Schwammbefall und Einsturzgefahr von der Stadt bereits abgerissen worden“, sagt der Vorstandsvorsitzende Hagen Hildebrandt. Die noch vorhandene Bebauung sei in einem sehr schlechten Zustand. „Dazu gehören unter anderem Deckendurchbrüche im Keller und Schwammbefall sowie Risse im Mauerwerk und ein vollständig deformierter Dachstuhl“, so Hildebrandt weiter. Die innere Nutzungsstruktur des Gebäudes sei weder funktional noch zeitgemäß. „Als Wohnungsgenossenschaft wollen wir ein ansprechendes Wohnraumangebot schaffen und mit der gewerblichen Unterlagerung als Gastronomie dem Friedhofsweg/Schröderplatz ein Stück weit mehr Leben einhauchen“, sagt Hildebrandt. Die Genossenschaft hat nach eigenen Aussagen viele Rückmeldungen erhalten, die sich positiv und bestätigend zu dem Bauprojekt geäußert haben. „Die eine oder andere Kritik war auch dabei“, räumt der Vorstand ein. Im Ortsbeirat KTV sind vor allem die Gebäudehöhe und die Zufahrt über die Fußgängerzone im Friedhofsweg beanstandet worden. Aus Sicht von Beiratschef Winter spricht dennoch vieles für die Bebauung: „Es macht Sinn, hier möglichst viel Wohnraum zu schaffen, weil der Bereich gut erschlossen ist“, so der Grüne. Auch sorge die Staffelung der Geschosse dafür, dass der neue Gebäudekomplex nicht erdrückend wirke. Von André Horn