Nordex, Scanhaus, Werften: Warum die größten Unternehmen in MV trotz Corona auf Hochtouren arbeiten

Der wichtigste Wirtschaftszweig des Landes liegt am Boden: MV hat das seit Montag angekündigte Reiseverbot in Kraft gesetzt, Urlauber müssen abreisen und neue dürfen nicht mehr in den Nordosten kommen. Doch in vielen anderen Branchen geht der Betrieb weiter – im Handel, aber auch auf dem Bau und in der Industrie. Trotz der Corona-Krise laufen vor allem bei den großen Unternehmen im Land die Arbeiten auf Hochtouren. Nordex will Engpässen vorbeugen: Zum Teil bereiten sich die Firmen sogar darauf vor, ihre Produktion in der Krise hochzufahren und umzustellen – der Windanlagen-Bauer Nordex SE etwa. Das zweitgrößte Unternehmen des Landes (5700 Mitarbeiter) fürchtet nämlich, dass es aufgrund von Covid-19 zu Lieferengpässen für Teile und Modulen kommen könnte. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sich die wochenlangen Produktionsverbote in China auf uns auswirken werden“, so Konzernsprecher Felix Losada. Nun prüfe Nordex, ob an den Standorten in MV die Produktion beschleunigt werden und ob bestimmte Teile auch in den Werken in Rostock hergestellt werden können. Wie sich die Krise langfristig auswirken wird – das könne das Unternehmen noch nicht sagen: Nordex sei in 20 Ländern weltweit aktiv. Eine firmeneigene „Task Force“ beobachte die Lage sehr genau. Hygienemaßnahmen seien verstärkt worden, Mitarbeiter wechseln zum Teil ins Homeoffice, Konferenzen finden per Videoschaltung statt. Die Mitarbeiter bekommen bis zu drei Tage zusätzlichen bezahlten Urlaub – um die Kinderbetreuung zu organisieren. „Produktion, Verkauf und Service arbeiten“, so Losada. Kurzarbeit sei kein Thema. Werften bauen weiter: Auch nicht auf den Werften. Stefan Sprunk, Sprecher der MV Werften in Rostock, Wismar und Stralsund, will zur aktuellen Lage nicht viel sagen. Nur so viel: Die Arbeit läuft weiter, an den Schiffen der „Global Class“ werde weiter gebaut. Auch die MV Werften arbeiten daran, Lieferketten zu sichern und Schutzmaßnahmen aufzubauen. Nach OZ-Informationen dürfen zum Beispiel nur noch wenige Mitarbeiter zeitgleich Pause machen und in die Kantine. Stichprobenartig wird bei den Arbeitern Fieber gemessen – und zwar schon am Werkstor. Der Klang schwerer Hämmer, die auf Stahl donnern – der Pulsschlag der maritimen Wirtschaft in MV: Auch auf der Neptun Werft in Rostock ist er noch zu hören. „Wir bauen fast alle wichtigen Teile selbst. Lieferengpässe haben wir deshalb zurzeit nicht“, meldet Werften-Chef Manfred Ossevorth. Die Produktion laufe weiter auf Hochtouren. Derzeit entsteht auf der Werft unter anderem die Maschinenraum-Sektion für ein neues Disney-Kreuzfahrtschiff. „Natürlich haben wir die Hygiene verschärft, führen Gesundheitskontrollen ein“, so Ossevorth. „Aber das Team ist weiterhin voll motiviert.“ Die Schiffbauer kann das Virus nicht stoppen. Auch beim Kran-Bauer Liebherr läuft die Produktion nach OZ-Informationen weiter. Das Familien-Unternehmen will sich offiziell aber erst in den kommenden Tagen zur aktuellen Lage äußern. Mehr Häuser aus Marlow: Nicht nur Nordex, sondern auch der Fertighaus-Hersteller Scanhaus in Marlow fährt derzeit die Produktion hoch: „Die Geschäfte könnten nicht besser laufen“, sagt Unternehmenschef Friedemann Kunz. „Die ersten Monate liefen bombastisch.“ In Marlow werde immer noch in drei Schichten in der Produktion gearbeitet, 15 Häuser pro Woche laufen vom Band. Bald sollen es sogar 30 sein: „Wir haben immer eine Woche Vorlauf, wollen den Vorlauf auf zwei Wochen erhöhen“, so Kunz. Auch in der Krise sollen die Häuser errichtet werden, es soll keinen Baustopp geben: „Unsere Bauteams sind unterwegs, fahren nur nicht in Hochrisikogebiete. Die Mitarbeiter sind echt großartig“, sagt der Unternehmer. Die Verwaltung wolle er im Notfall nach Hause schicken: „Innerhalb einer Stunde können wir komplett auf Homeoffice umstellen.“ Einzig die Immobiliensparte seines Unternehmens betrachte er mit ein wenig Sorge. Zur Familien-Stiftung von Kunz gehört unter anderem auch das Radisson-Hotel in Rostock. „Dort stehen uns harte Zeiten bevor. Aber das müssen wir jetzt abwarten.“ Aida fährt runter: Beim größten Unternehmen des Landes hingegen wird es in den kommenden Wochen ruhig. Sehr ruhig. Aida Cruises – 11 200 Mitarbeiter – fährt derzeit alles herunter. Alle 14 Schiffe werden bis spätestens Donnerstagabend in sichere Häfen eingelaufen sein, alle Gäste sind dann auf dem Weg nach Hause. Bis April wurden alle Reisen abgesagt. Das Servicecenter sei in Kontakt mit den Betroffenen, viele Gäste würden einfach umbuchen – und später in den Urlaub fahren, wenn die Corona-Krise vorbei ist. „Einschränkungen in den Häfen, im Flugverkehr: Das ist eine riesige logistische Herausforderung für alle bei Aida“, sagt Vize-Präsident Hansjörg Kunze. „Niemand von uns hätte sich noch vor ein paar Wochen eine solche Lage vorstellen können.“ Was das perspektivisch für Aida bedeute: „Wir wissen es nicht. Die Lage ist speziell – für den Tourismus weltweit“, so Kunze. Das Unternehmen fahre jetzt erst mal runter, die Büros am Stadthafen in Rostock lichten sich. „Unsere Stammgäste und Fans machen uns Mut. Und wir sind bereit, sofort wieder in See stechen zu können, wenn es die Lage erlaubt.“ Auch die Rostocker Flusskreuzfahrt-Reederei Arosa musste sämtliche Fahrten vorerst absagen. „Wir kontaktieren gerade alle Gäste, um einen neuen Termin für ihren wohlverdienten Urlaub zu finden“, sagt Sprecherin Annika Schmied. 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