Protest-Picknick für die Alte Zuckerfabrik

Es ist eine Protestaktion, wie sie Rostock noch nie gesehen hat: Binnen Minuten haben gestern rund 150 Menschen den Neuen Markt zum XXL-Picknick-Platz gemacht. Eine friedliche Demo mit Karottenkuchen und Kuscheldecke. Die Fans der Alten Zuckerfabrik in der Neubrandenburger Straße wollten sich mit der Spontanversammlung für den Erhalt der Kulturstätte einsetzen. Der Flashmob war über das soziale Netzwerk Facebook organisiert. Hintergrund der Blitz-Versammlung ist der Ärger, den die Alte Zuckerfabrik derzeit mit ihren Anwohnern hat. Die hatten 30 Unterschriften gesammelt und Beschwerde gegen den Kulturstandort eingereicht. Das Bauamt hatte daraufhin dem Betreiber und Eigentümer Martin Hänler die Nutzung für Konzerte untersagt. Es gebe keine Genehmigung als Veranstaltungsort, hieß es (die OZ berichtete). Damit will sich Hänler nicht abfinden. Er hat 3584 Unterschriften für den Erhalt der Zuckerfabrik gesammelt und diese gestern im Rathaus an die Bürgerschaftspräsidentin Karina Jens (CDU) übergeben. „Wir wollen ein politisches Gegengewicht zu den Anwohnerbeschwerden setzen“, betonte Hänler. Dass deren Belange schwerer wiegen sollen als die Unterstützung von mehr als 3500 Zuckerfabrik-Befürwortern, widerspräche seinem demokratischen Verständnis. Verstärkung bekommt Hänler von etlichen Zuckerfabrik-Fans. „Nur weil sich 30 Leute gestört fühlen, darf man solch einen Kulturstandort nicht schließen“, befindet Johanna König (22). „Die Zuckerfabrik ist ein sehr alternativer Standort, und davon gibt es in Rostock leider nicht allzu viele. Wir wollen ihn erhalten“, ergänzt Patrick Müller (21). Die Kulturstätte biete der Musikszene abseits des Mainstreams eine Chance, betont Martin Baltrusch. Die Stadt könne sich überhaupt keinen besseren Standort für Konzerte und Partys wünschen, sagt Hänler. „Außerdem investieren wir in die Instandhaltung eines historischen Objektes. Wir sind seit sieben Jahren dort. Vorher stand die Zuckerfabrik leer.“ Weitere bauliche Veränderungen seien bereits in der Planung. Einen entsprechenden Antrag habe er gestellt. Der Flashmob auf dem Neuen Markt war gestern unter Polizeibeobachtung, aber ohne Zwischenfälle abgelaufen. Zwischen Markthändlern und Rathaus machten es sich die rund 150 Teilnehmer auf Picknickdecken bequem. Auch wenn diese Protestaktion manchen Passanten die Stirn runzeln ließ, rechtliche Folgen hat sie nicht. „Sie ist über das Versammlungsrecht gedeckt, weil es um ein Anliegen geht, das sich an die Allgemeinheit, gegen die Verwaltung richtet“, erklärt Professor Wolfgang März vom Lehrstuhl für Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte der Universität Rostock. Weil der Flashmob via Facebook und ohne konkret identifizierbaren Absender organisiert war, sei auch eine Anmeldung nicht erforderlich gewesen. Antje Bernstein

Stadtmitte - Protest-Picknick für die Alte Zuckerfabrik