Rostock: Limbus Medical Technologies bekämpft Corona-Mutationen mit Software

Ganz Deutschland schaut auf Rostock. Mecklenburg-Vorpommerns größte Stadt scheint in der Corona-Krise vieles besser als andere Kommunen zu machen. Die Zahl der mit SARS-CoV-2 Infizierten ist vergleichsweise gering, die Inzidenz auf stabil niedrigem Niveau. Ein Team innovativer Gründer könnte dazu beitragen, dass das auch künftig so bleibt. Das Start-up Limbus Medical Technologies hilft Humangenetikern und Virologen dabei, Corona-Mutanten zu enttarnen. „Normalerweise beschäftigen wir uns mit menschlicher DNA“, sagt Geschäftsführer und Mitgründer Dr. Ben Liesfeld. Limbus hat eine cloudbasierte Software entwickelt, mit der Labore nun auch das Erbgut von SARS-CoV-2-Varianten entschlüsseln können: Varvis. Software Varvis soll in 15 Minuten DNA-Abweichungen erkennen: Eigentlich wurde die Technologie dafür entwickelt, genetische Ursachen für seltene Erbkrankheiten beim Menschen aufzuspüren. Vereinfacht könne man sich das Erbgut (Genom) vorstellen wie eine Kette mit Milliarden Buchstaben, in der schon ein kleiner Schreibfehler gravierende Folgen, wie eine schwere Krankheit, haben könne, erklärt Ben Liesfeld. „Wir helfen Genetikern dabei, diesen Fehler zu finden.“ Bislang habe das jedes Labor auf eigene Faust erledigen und selbst für sich eine entsprechende Software entwickeln müssen. Mit der Folge, dass laborübergreifende Standards fehlten. Limbus hat mit Varvis ein standardisiertes Medizinprodukt auf den Markt gebracht. „Wir bieten eine automatisierte Lösung, auf die Labore weltweit Zugriff haben, und ersparen Genetikern Aufwand und Zeit. Wir beschleunigen die Gendiagnostik und erhöhen die Qualität der Diagnosen“, sagt Liesfeld. Mit Hilfe von Varvis können Humangenetiker im Schnitt binnen 15 Minuten Abweichungen in der DNA erkennen und bisherige Wartezeiten deutlich verkürzen. Entsprechend schnell sind Diagnosen und Behandlungen von Patientinnen und Patienten möglich. Video: Warum Rostock so wenig Corona-Fälle ha t Von Centogene zum eigenen Unternehmen: Genfehlersuche ist auch das Kerngeschäft eines Rostocker Biotechnologie-Unternehmens, das sich im vergangenen Jahr bundesweit mit Corona-Tests einen Namen machte: Centogene. Die Gemeinsamkeiten kommen nicht von ungefähr: In den Reihen des Limbus-Teams gibt es viele Ex-Centogene-Mitarbeiter,darunter auch der Chef, Ben Liesfeld. Informatik, Physik und Molekularbiologie – 16 Leute unterschiedlichster Fachbereiche beschäftigt Limbus aktuell. „Wir sind bislang jedes Jahr um 80 Prozent gewachsen“, sagt Liesfeld, der die Firma 2015 zusammen mit Dr. Roland Ewald und Dr. Stefan Leye gründete. Das soll so weitergehen. Denn das Jungunternehmen möchte sich als feste Größe in der Biotechnologie-Branche etablieren. „In Deutschland sind wir gut bekannt, nun wollen wir europaweit wachsen.“ Viele Patientinnen und Patienten profitieren: Limbus fokussiert sich auf seltene Erbkrankheiten, also jene, die statistisch gesehen bei weniger als fünf von 10 000 Menschen auftreten. Weil es aber viele solcher Leiden gibt, sei die Zahl derjenigen groß, die von Varvis profitieren, erklärt Liesfeld. Auch Krebs könne genetische Ursachen haben und Varvis dabei helfen, diese aufzuspüren. Um Varvis zu benutzen, brauchen Limbus-Kunden nicht viel mehr als einen Computer und Internet. Über den Browser haben sie Zugriff auf die Software. Eigene Hardware ist also nicht nötig. Damit Genom-Analysen immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft erfolgen, bekommt Varvis viermal jährlich ein Update. „Wir müssen mit dem Fortschritt mithalten. Das motiviert uns“, sagt Liesfeld. Er ist überzeugt: „Wir stehen erst am Anfang einer irren Entwicklung. Jeden Tag lernen wir Neues über die DNA. Patienten, bei denen vor einem Jahr noch keine Diagnose möglich war, können sie heute dank Genanalyse bekommen.“ Start-ups stehen für kreatives Unternehmertum. Mit smarten Ideen und Mut bringen sie die Wirtschaft voran und gestalten deren Zukunft. Nicht nur Metropolen, wie Berlin oder Hamburg – auch Mecklenburg-Vorpommern hat viele Start-ups zu bieten. In der neuen OZ-Serie stellen wir frisch gegründete Jungunternehmen vor und erzählen die Erfolgsgeschichten bereits etablierter Start-ups. Lesen Sie auch Rostock: Wie drei Gründer Millionen mit Versicherungen an Land zogen Anwalt finden: Vermittler Advocado aus Greifswald hilft Recht-Suchenden Produkte, Jobs, Kapital: Dieses Potenzial haben die Start-ups von MV Das Bioinformatik-Tool aus Rostock ist gefragt: Aktuell werde Varvis von mehreren Laboren und Uni-Kliniken in Deutschland genutzt und auch in Rumänien, Portugal, Kanada und den USA habe Limbus Kunden, sagt Produkt-Managerin Dr. Yvonne Kasmann. Der internationale Durchbruch ist das Ziel. Der hänge auch von Medizinern ab. „Viele Ärzte wissen noch nicht, was genetische Diagnostik Patienten bieten kann, aber das ändert sich zum Glück gerade“, sagt Ben Liesfeld. Von Antje Bernstein