Rostocker Wertpapiere unter dem Hammer

Die einen sammeln Briefmarken, die anderen Münzen oder Spielzeug. Doch es gibt auch Liebhaber von noch Äußergewöhnlicherem: historischen Wertpapieren zum Beispiel. Und für ein solches Sammlerstück wird viel ausgegebe. Ein Dokument der „Rostocker Actien-Gesellschaft für Schiff- und Maschinenbau“ vom 1. März 1883 ist am Wochenende bei einer Auktion des historischen Wertpapierhauses (HWPH) in Würzburg unter anderem für 10500 Euro unter den Hammer gekommen. Schätze landen oft im Müll: Es ist ein besonderes Exemplar aus Rostock: Denn 1890 ging diese Gesellschaft in Liquidation und wurde von der neu errichteten Neptun-Schiffswerft und Maschinenfabrik fortgeführt. Die Stamm-Prioritäts-Aktie über 300 Mark gehörte zu den 50 Highlights der bayrischen Auktion. Das Startgebot lag bei 5000 Euro. „Es ist ein relativ altes Papier von einer relativ bedeutenden Gesellschaft, was bisher noch nie auf dem Markt angeboten wurde“, erklärt Matthias Schmitt vom Auktionshaus. Der Anteilsschein wurde in einem privaten Bestand gefunden. Das sei nicht ungewöhnlich. „Bestimmt 98 Prozent der Bevölkerung wissen gar nicht, dass es früher Aktien in gedruckter Form gab.“ Deswegen finde man auch vergessene Wertpapiere im Nachlass. „Viele wissen nicht, dass sie noch wertvoll sind und leider landet oft etwas im Müll“, sagt Schmitt. Dabei geben Sammler zum Teil horrende Summen für die historischen Papiere aus. Bei der Rostocker Aktie habe das Auktionshaus einen Preis von bis zu 15 000 Euro erwartet. „Es betrifft einerseits Rostock und andererseits das Thema Schifffahrt. Daran gibt es ein starkes Interesse“, so Schmitt. Letztlich bekam ein Telefonanbieter bei besagten 10500 Euro den Zuschlag. Und die Aktie ist nicht das einzige Rostocker Dokument, was am Sonnabend in Würzburg zum Verkauf stand. Auch eine Elektrizitäts-Anleihe des Amts Rostock von 1922 konnte ersteigert werden – allerdings fand sich hier kein Käufer. Das Startgebot lag bei 350 Euro. Bei jeder Auktion gebe es in der Regel zwei bis drei Dokumente aus Rostock, die an den Meistbietenden gehen. „Es gibt sogar einen Sammler, der sich auf Rostock spezialisiert hat“, verrät Schmitt vom Vorstand des Auktionshauses. Ein Bruch zu DDR-Zeiten: Doch wo sind eigentlich die Aktienbetriebe in Rostock geblieben? „Dass es heute wenige im ehemaligen Osten gibt, hat mit der DDR zu tun“, erklärt Steffen Stuth vom Kulturhistorischen Museum. Denn nach 1945 wurden solche Betriebe entweder verstaatlicht. „Damit ist die Kontinuität alter Aktiengesellschaften gebrochen worden.“ Auch die Neptunwerft sei nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges zunächst als sowjetischer, dann als volkseigener Betrieb weitergeführt worden. „Damit waren alle Aktien wertlos“, erklärt der Historiker. Und nach der Wende haben die Menschen vor allem GmbHs gegründet. „Das hat auch etwas mit dem Startkapital zu tun.“ Doch schon vor dem Krieg war Rostock nicht für seine florierenden AGs bekannt. „Es gab hier vor allem kleine und mittelständische Aktiengesellschaften“, sagt Stuth. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts haben Unternehmen in Deutschland begonnen, Anteilsscheine zu verkaufen, um zusätzliches Kapital zu schaffen. Vor allem größere Handwerks- und oft Familienunternehmen hätten AGs gegründet – auch in Rostock. „Doch die einzig relevanten Unternehmen waren hier die Neptun Werft und die Heinkelwerke“, erzählt Stuth. Auch dem kulturhistorischen Museum werden regelmäßig solche Papiere angeboten. „Wir haben zum Beispiel eine Aktie der Hagenow-Schwerin-Rostocker Eisenbahn-Gesellschaft von 1845.“ Auch von der Rostocker Zuckerfabrik habe das Museum Aktien im Archiv. Dass nun die alten Papiere für große Summen auch an Sammler versteigert werden, findet der Historiker nicht falsch. „Es ist doch gut, dass es Sammler gibt.“ Denn mit ihrem Interesse würden sie alte Objekte aller Art vor dem Verlust bewahren. Johanna Hegermann

Stadtmitte - Rostocker Wertpapiere unter dem Hammer