Scharfer Blick und gutes Aussehen

Wenn Kunden in den Laden kommen und fragen: „Ist meine Brille schon da?“, hat Optiker Frank Ammenn immer eine Standardantwort parat: „Die war nie weg!“ Nur in den seltensten Fällen bestellt der Geschäftsführer von Brillen Krille — das Unternehmen in der Kröpi feiert jetzt seinen 120. Geburtstag — eine neue Fassung. Geordert werden bloß die entsprechenden Gläser, die erst im Geschäft in Form gebracht werden. Was viele nicht wissen: Im Stockwerk über dem Laden befindet sich eine Werkstatt. Hier gibt es Maschinen und Werkzeuge, die der Beruf des Optikers erfordert. Ammenn lebt für sein Handwerk, wie auch schon sein Vater, Großvater, Urgroßvater und weitere Vorfahren. Seine Augen leuchten, als er von „damals“ erzählt: „Zur Optikerlehre gehört seit langer Zeit dazu, traditionelle Methoden des Gläserschleifens zu erlernen.“ Denn: Den letzten Schliff erhalten die Gläser vom Optiker selbst. Dieser überträgt mithilfe der Fassung als Schablone die gewünschte Form auf das Glas. Ammenn oder einer seiner vier Mitarbeiter greift dann zum Knipser und bricht das Glas grob um den gemalten Rand ab. Dabei fliegen winzige Scherben durch die Werkstatt. Im Anschluss folgt die Millimeterarbeit: Die Ränder werden von Hand geschliffen. „Das dauert im Durchschnitt eine Stunde“, erklärt der 49-Jährige. „Damals mussten die Kunden noch ein halbes bis ein Jahr auf ihre bestellten Brillen warten“, erinnert sich Hannelore Severin (59). Sie ist seit 1977 Mitarbeiterin bei Krille und damit länger im Beruf als der Chef selbst. Dieser beendete mit der Wende seine Ausbildung. „Dann haben wir unseren Optiker- Laden turbomäßig in einen Westbetrieb umgebaut“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Davor kam es vor, dass Optiker mal einfach keine Fassung da hatten.“ Außerdem habe der „erste Krille“ zu Zeiten der Firmengründung nebenbei noch Münzen geprägt. Das Optiker-Geschäft war damals noch nicht so rentabel wie in diesen Tagen. Heute gibt es keine Engpässe mehr. Brillen Krille ist mit modernster Technik ausgestattet, darunter ein Videozentriergerät, das bei den Augen so ziemlich alles ausmisst, was gemessen werden kann. Daher können Brillenträger optimal auf sie angepasste Modelle tragen. „Damals hatten Optiker ein paar Brillen da und es wurde gekauft, womit man am besten sehen konnte“, so Ammenn. Gerechnet wurde mit einer Maschine mit Kurbel, die heute zur Dekoration in seinem Wohnzimmer steht. Ammenn weiß noch, wie es damals in Rostock war: „In der Südstadt sind alle mit den Gläsern rumgelaufen, durch die man oberhalb weitsehen und unten lesen konnte.“ Heute geht der Trend in der Hansestadt zu modischen Kunststofffassungen. „Lange Zeit war hier die randlose Brille dominant, aber die wurde abgelöst“, erklärt der Geschäftsführer. Es gebe sogar Kunden, die gar keine Sehschwäche haben. „In diesem Fall wird die Brille aus modischen Gründe gekauft.“ Sogar Hannelore Severin wechselt ab und zu ihre Brillenbügel, um sie farblich an die Kleidung anzupassen. Bei einer Reise nach Rom hat Ammenn festgestellt: „Dort setzen die Brillenträger auf unübersehbare Markennamen auf Fassungen oder Gläsern.“ In Rostock seien die Menschen zurückhaltender — es gehe hier eher um das Wohlfühlen. Dass sich die Mitarbeiter von Brillen Krille im Unternehmen wohlfühlen, lässt sich in der ersten Etage erleben: Hier zeugt ein Tischtennisraum von der familiären Atmosphäre im Team. Ein Familienunternehmen Mitte des 19. Jahrhunderts gründete Johann David Heinrich Krille das erste Geschäft in Schwerin. Seit 120 Jahren versorgt die Optiker- Familie Krille Rostocker mit zeitgemäßen Sehhilfen. Am 21. Oktober 1894 begann eine lange Rostocker Tradition: Karl Ludwig Christian Wilhelm Krille eröffnete Brillen Krille am Blücherplatz und zog 1910 in die Blutstraße (heute Kröpeliner Straße). Frank Ammenn führt das Geschäft heute in sechster Generation. Karolin Hebben

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