Seemannsknoten wurden seine Leidenschaft

Seinen 17. Geburtstag hat Olaf Fischer in Havanna gefeiert — an Bord des Ausbildungsschiffes „Georg Büchner“. An seinem 53. Geburtstag im Februar dieses Jahres stand er wieder vor dem Schiff, das im Rostocker Stadthafen lag. „Die Gangway war schon abgebaut, die Bulleyes zugeschweißt“, berichtet Fischer, der dem Aufruf der OZ gefolgt ist und von seinen Erinnerungen an das Schiff berichtet. „Ich war entsetzt über den Zustand des Schiffes“, sagt der 53-Jährige. Den Untergang der Büchner bedaure er sehr, verbindet der Seemann doch gute Erinnerungen mit dem Ausbildungsschiff der Deutfracht-Seereederei (DSR). 1977 sei er als Vollmatrosenlehrling auf der Büchner gefahren, erzählt er. „Klasse VM8, eine von fünf Lehrlingsklassen und einer Abiturklasse an Bord.“ 16 Jahre jung sei er gewesen. Es war die erste Schiffsreise, die ihn nach Kuba führte und zugleich die letzte der „Georg Büchner“. Die Ausbildung bestand aus Theorie und Praxis — viel Unterricht an Bord, aber auch Brandschutztraining und Ladungspflege, Umgang mit dem Ladegeschirr und Aussetzvorrichtungen. „Alles immer mit einem kleinen vormilitärischen Drill“, erinnert sich Fischer. „Auf Pfeifen mussten wir reagieren, raustreten. Für die Landgangskontrolle mussten die Fingernägel geschnitten, die Haare gekämmt, die Kleiderordnung eingehalten werden.“ Es gab Arbeitsgemeinschaften an Bord. Er sei für die AG „Seemännische Handarbeiten“ eingeteilt worden und habe so zu seinem Hobby, den Seemannsknoten, gefunden, erzählt er. „Das gehört zum Handwerk, wird aber heute gar nicht mehr gelehrt“, bedauert Fischer, der als Kanalsteurer im Nord-Ostsee-Kanal tätig ist und jeden Tag auf einem anderen Schiff am Ruder steht, um es sicher durch den Kanal zu geleiten. „Die können heute keinen Schotstek mehr oder keinen Spleiß“, stellt Fischer immer wieder fest, der in der Lehre mit viel Spaß geknotet hat. Heute gibt Knotenole, wie er sich auf seiner gleichnamigen Internetseite nennt, das Handwerk weiter, unterrichtet in Workshops und produziert selbst Seesäcke, Schlüsselanhänger, Armbänder. „Damit das Handwerk nicht ausstirbt, habe ich mich der Gilde der Knotenmacher angeschlossen“, sagt der Mann, der aus Sachsen-Anhalt, aus der Nähe von Dessau stammt. Ein Erlebnis von der Reise mit der Büchner möchte Fischer noch gern loswerden. „An Bord war Alkoholverbot. Bei Geburtstagen gab es für jeden zwei Bier“, erzählt er. Etwas mehr getrunken wurde bei Bordfesten. „Doch wir hatten gerade an so einem Abend mit fünf Mann Wache.“ Der Ausbilder habe ihnen jedoch etwas Alkohol zurückgestellt und mit ihnen nach der Wache geleert. „20 Liter Bowle in einer Milchkanne — die haben wir ausgetrunken und dann einen fürchterlichen Morgen erlebt“, erinnert er sich. Nach der Lehre arbeitete er als Vollmatrose und Kabelgattsmatrose auf dem Frachter „Joliot Curie“, studierte dann an der Seefahrtsschule. Von 1986 bis 1990 fuhr er als Nautischer Offizier weiter auf der „Curie“, bevor er im Nord-Ostsee-Kanal anfing, den 40 bis 50 Schiffe pro Tag passieren. Schreiben Sie uns Tausende Seeleute wurden auf der „Büchner“ ausgebildet. Ihre Erinnerungen, Anekdoten, Geschichten sind gefragt. Schreiben Sie an: OSTSEE-ZEITUNG, Lokalredaktion Rostock, 18055 Rostock, Richard-Wagner-Str. 1a; lokalredaktion.rostock@ostsee-zeitung.de. Doris Kesselring

Erinnerungen an die „Georg Büchner“: Ehemalige Seeleute erzählen - Seemannsknoten wurden seine Leidenschaft