Rostocks Wasserturm ist stärker beschädigt als bisher angenommen. Monatelang hat ein Architekt das denkmalgeschützte Bauwerk untersucht. Die genauen Ergebnisse sollen zum Jahresende vorliegen, klar ist aber schon jetzt: Sechs der sieben Türmchen auf dem Rostocker Wahrzeichen müssen abgetragen und erneuert werden. „Die Türmchen haben teilweise eine Neigung von bis zu 35 Grad und sind dementsprechend instabil“, sagt Andreas Rieck, Technischer Leiter beim städtischen Immobilien-Betrieb KOE.
Auch die Füße des Wasserturms weisen starke Schäden auf. Sie sind voller Wasser. „Durch den Frost-Tau-Wechsel mit den Jahreszeiten ist das Mauerwerk kaputt gegangen. Wir müssen daher die Granitblöcke abnehmen und das Mauerwerk dahinter sanieren“, sagt Rieck. Um die Stabilität des Turms nicht zu gefährden, dürfen bei den Arbeiten aber stets nur zwei der sieben Stützpfeiler parallel abgenommen werden.
Eindringendes Wasser gefährdet Stabilität
Zuletzt ist der Turm Mitte der 1990er Jahre teilweise saniert worden. Allerdings auf falsche Art und Weise, wie Rieck sagt. „Man hat verkehrten Fugenmörtel genommen, sodass sich die Schäden kurze Zeit später wieder eingestellt haben.“ Der Fugenmörtel habe sich von den Steinen gelöst. „Deshalb ist permanent Wasser eingedrungen“, so Rieck. Die Folge: Mit jedem Frost wurden die Steine der Fassade wackeliger und bekamen Risse. Damit keine Unfallgefahr besteht, waren im April zuletzt Fassadenkletterer auf dem Gebäude und entfernten lose Steine.
Das eingedrungene Wasser sorgt auch an anderen wichtigen Teilen für Probleme, zum Beispiel an den Stahlträgern. „Das muss alles neu gemacht werden, weil durch den Korrosionsprozess natürlich Stabilität verloren geht“, sagt Nils Sommer, der beim KOE Abteilungsleiter für Neubau und Sanierung ist. Damit nicht noch mehr Feuchtigkeit eindringt, ist der Wasserturm im Sommer eingerüstet und mit einer Plane umhüllt worden.
75 Steinformate müssen nachgebrannt werden
Es sei aber nicht nur die Witterung, die dem Turm über die Jahrzehnte zugesetzt habe, wie KOE-Sprecherin Josefine Rosse mitteilt. „Es gibt auch Kriegsschäden.“ So habe eine Bombe Tank und Fassade getroffen.
Architekt Rainer Grebin hat in den vergangenen Monaten jeden Stein des Turms einzeln unter die Lupe genommen. Vorläufiges Ergebnis: Rund 75 Steinformate müssen nachgebrannt werden. „Die Steine gibt es ja so nicht im Baumarkt. Die können nicht einfach nachgekauft werden“, sagt Sommer. Deshalb werden Material, Form und Ornamente exakt kopiert.
Sanierung kostet Millionen
Wie teuer die Sanierung nun wird, ist völlig offen. Zuletzt waren für die Baukosten 3,2 Millionen Euro im Gespräch. Eine Förderung des Projektes war laut KOE ebenfalls zugesichert: rund 1,8 Millionen Euro sollten aus dem Städtebauförderprogramm Denkmalschutz-Ost fließen.
„Wir haben schon einen Gutachter beauftragt, der beim Erarbeiten des Sanierungsprojektes mitmacht“, sagt Rieck. Bis zum Jahresende soll ein Gesamtkonzept vorliegen. Der Knackpunkt: „Wir müssen das alles wieder richtig verfugen, damit keine Feuchtigkeit mehr eindringt und sowas nicht nochmal passiert.“ Aus diesem Grund dauere die Auswertung jetzt auch so lange. „Wir müssen wissen, was für Material wir brauchen und wie wir genau vorgehen, um das Gebäude langfristig zu erhalten“, so Rieck weiter.
Schäden schon kurz nach Bau
Schon kurz nach dem Bau 1903 soll es Schäden an dem Turm gegeben haben. Dennoch sei er bis heute nie in seiner Grundsubstanz saniert worden. „Wenn man in der Höhe einen Wasserbehälter hat, der sich füllt und leert, dann hat man immer unterschiedliche Lasten. Das Gebäude ist immer in Bewegung und das hat früher schon für Probleme gesorgt“, sagt Rieck. Es seien aber immer nur die Fugen wieder gemacht worden.
Nun will der KOE endlich die Ursachen beheben. Das Vorgehen erläutert Rieck so: „Der Klinker ist eine Verblendschale, die vor dem eigentlichen Mauerwerk ist. Der Stein, der kaputt ist, wird nun rausgestemmt und ein neuer wieder vermauert.“ Auch bei der Sanierung des Klosters zum Heiligen Kreuz habe der KOE bereits Steine nachbrennen und verlegen müssen. „Das ist also nichts Unbekanntes für uns“, so Rieck.
Bis 1959 in Betrieb
Der 1903 erbaute Wasserturm gilt als eines der wichtigsten Technikbaudenkmäler der Hansestadt. Der Stahlbehälter im Inneren konnte 800 Kubikmeter Wasser fassen und war ein wichtiger Bestandteil der Wasserversorgung. Bis 1959 war der Turm in Betrieb.
Heute dient der Turm als Depot für das Kulturhistorische Museum, etwa für empfindliche Gemälde. Während der Sanierung sollen die Kunstwerke im Turm bleiben, heißt es.
Mit seinen sieben Türmchen und den sechs Zwischengiebeln gilt der Turm als repräsentatives Beispiel für neogotische Backsteinkunst. Er nimmt Bezug auf das vom Architekten Gottlieb Ludwig Möckel (1838-1915) entwickelte Ständehaus in der Wallstraße. Dort sitzt heute das Oberlandesgericht.
Anh Tran und André Wornowski