Trickbetrug: Ein Opfer erzählt seine Geschichte

üdstadt. Wieso er nicht vorsichtiger war – Joachim Harder kann es sich heute nicht mehr erklären. Auch nicht, dass er so vertrauensseelig war. Der 73-Jährige und seine Frau sind Opfer eines Trickbetrügers geworden. „Ja, wir haben uns anscheten lassen“, sagt der Rostocker. 350 Euro hat er verloren. Doch Harder will darüber nicht schweigen, er geht in die Offensive: Mit seiner Geschichte will er helfen, den Täter zu überführen – und er will andere warnen. Denn seit Monaten haben es Kriminelle auch in Rostock wieder vermehrt auf Senioren abgesehen. Angesprochen auf dem Heimweg: Joachim Harder lebt in der Südstadt. Und genau dort hat ihn der Betrüger auch angesprochen: „Meine Frau und ich waren auf dem Rückweg vom Einkaufen“, erzählt er. Plötzlich hielt neben den beiden Senioren ein Auto an: „Ein dunkler BMW, ein Kombi. Das weiß ich noch“, sagt Harder. Ein junger Mann kurbelte die Scheibe runter und sprach das Ehepaar an: „Er sagte, dass er Pfleger Michael aus der Südstadt-Klinik sei und dass er uns kennen würde. Er wolle uns was Gutes tun und helfen.“ Der Betrüger fragte, ob er das Paar nach Hause fahren solle – samt der schweren Einkäufe. Harders willigten ein, ließen den Mann auch in ihre Wohnung. „Er war nett. Keine Frage“, sagt Harder. Täter bietet Jacken zum Kauf an Kaum angekommen bei Harders daheim, fängt der Mann dann aber an, von seiner eigenen angeblichen Leidensgeschichte zu erzählen: „Sein Schwiegervater sei schwer krank und habe seine Schneiderei aufgeben müssen, erzählt der Betrüger. Und dann bot er uns drei Jacken zum Kauf an“, so Harder. Angeblich echte Handarbeit aus Dresden, laut Etiketten aber Billigware „Made in China“. „Dann erzählt er uns noch, dass seinem Schwiegervater beide Beine amputiert werden müssen und seine Frau dringend nach Dresden fliegen müsse. Doch sie habe kein Geld dafür.“ Der Betrüger bat das Ehepaar, ihm doch etwas Geld zu leihen: „Meine Frau hat ein großes Herz – und holte 350 Euro von ihrem Ersparten. In zwei Wochen wollte er uns das Geld zurückgeben.“ Als der Mann dann noch mehr Bargeld verlangt, ahnte Joachim Harder zum ersten Mal, dass vielleicht doch etwas nicht stimmen kann mit dem angeblichen Pfleger Michael: „Ich wollte ein Foto von ihm und meiner Frau machen – da nahm er plötzlich Reißaus.“ Täter reißt Etiketten aus den Jacken „Der Mann hat aus den Jacken, die er uns verkaufen wollte, schnell ein paar Etiketten rausgerissen und ist dann abgehauen“, berichtet Harder. Leider mit den 350 Euro seiner Frau. „Meine Liebste hat zwei Tage lang nur geweint. Sie hatte sich das Geld lange zusammengespart.“ Zwei Jacken hatte der Betrüger zurückgelassen. Seit gestern befinden sich die Kleidungsstücke bei der Rostocker Kripo, werden nun auf Spuren untersucht. Harder kann auch eine Beschreibung des Betrügers liefern: „Der Mann war etwa 1,90 Meter groß. Er hatte eine Glatze.“ Ebenfalls auffällig: Der Täter soll vollschlank sein. „Und er sprach mit einem sächsischen Dialekt. Der war ganz sicher nicht von hier“, so der Südstädter. Ähnlicher Fall vor einer Woche Für die Ermittler der Rostocker Kripo sind die Aussagen Harders enorm wichtig: Denn vor rund einer Woche gab es einen ganz ähnlichen Fall in der Hansestadt. In Reutershagen war ein 83-Jähriger von einem Unbekannten angesprochen worden – ebenfalls vor einem Supermarkt. Auch dieser Rostocker fasste Vertrauen zu dem Unbekannten – weil er behauptete, die beiden würden sich aus gemeinsamen Zeiten im Fischkombinat kennen. Folge: Der Senior wurde schlussendlich um Goldschmuck und sein gesamtes Bargeld gebracht. „Auch in diesem Fall wurden dem Opfer Jacken zum Kauf angeboten“, sagt Dörte Lembke, Sprecherin der Polizei in der Hansestadt. Die zweite Parallele: Der 83-Jährige konnte keine genaue Beschreibung des Mannes abgeben, aber er wusste noch, dass der Täter ein dunkles Auto fuhr. Landesweit 100 Fälle allein im Mai Landesweit wurden bei der Polizei bisher 100 Fälle von Trickbetrügereien angezeigt – allein im Mai: „Die Kriminellen haben es auf die Gutgläubigkeit der Menschen abgesehen – vor allem älterer Mitbürger“, sagt Sebastian Schütt, Chef der Rostocker Kriminalpolizei. Er warnt: „Wenn Sie ein Fremder anspricht und behauptet, Sie würden einander kennen, bleiben Sie skeptisch. Lassen Sie den Menschen nur in ihre Wohnung, wenn Sie sich zu 100 Prozent sicher sind, die Person auch wirklich zu kennen.“ Internet: Im Internet hat die Polizei weitere Tipps zum Thema Betrug zusammengestellt. Die Adresse lautet: www.polizei.mvnet.de/prävention Andreas Meyer

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