Umbenennung von Gemeinde in Österreich: Poppendorfer stehen zu Namen

Das Telefon von Jörg Wallis klingelt in diesen Tagen häufiger als sonst. Seitdem die Gemeinde Fucking bekanntgab, sich aufgrund anzüglicher Touristenmassen und deren Folgen ab Januar in Fugging umzubenennen, ist auch Poppendorf wieder in aller Munde. Im Gegensatz zu seinem österreichischen Amtskollegen ist Bürgermeister Wallis aber entspannt. „Wir stehen zu unserem Namen – und auch zu den Folgen“, erklärt der 55-Jährige. Wallis ist überzeugt, dass bei der Benennung der Gemeinde im Jahr 1286 die heutige Bedeutung des Wörtchens poppen – ein Synonym für Geschlechtsverkehr – nicht bekannt war. „Wir haben ja im Dorf auch noch einen Stichweg“, sagt er augenzwinkernd. Auch das Gemeindeoberhaupt selbst hatte keine Bedenken, sich 1995 im Ort niederzulassen. „Meine Frau und ich kannten das Wort poppen nicht – der Begriff gehörte in der DDR nicht zum Sprachgebrauch“, so der Rostocker. Dafür hätte seine 85-jährige Schwiegeroma aus Düsseldorf laut gelacht, als er den Namen des neuen Wohnortes erstmals erwähnte. Sie war sich der Doppeldeutigkeit schon damals bewusst. Bisher weder Vandalismus noch Touristenflut: Aktuell gibt es in Deutschland und Österreich ganze sechs Orte mit Namen Poppendorf. „Unter anderem auch eines in der Nähe von Marlow. Aber es sind meist eingemeindete Dörfer“, erklärt Wallis, warum bei der Suche nach dem Ortsnamen zuallererst seine Gemeinde auftaucht. Trotz seiner Berühmtheit sei das Mecklenburger Poppendorf bisher von Vandalismus verschont geblieben. „Ja, das Ortsschild wurde mal geklaut, aber das ist lange her“, sagt Jörg Wallis. Einzig beim örtlichen Veranstaltungszentrum namens Musenhof hätten Scherzkekse mal einen Konsonanten verändert, um ihren Pennälerhumor zu befriedigen. Der Ort Poppendorf wurde erstmals 1286 erwähnt. Das ehemalige Rittergut hatte eine wechselvolle Geschichte und damit auch viele Besitzer, wie die Witwe des dänischen Königs Agneta, die Petrikirchgemeinde Rostock und das Klarissinenkloster Ribnitz. Infolge zahlreicher Kriege, besonders des 30-jährigen Krieges, litten die Dörfer unter stärkerer Zerstörung. Aktuell leben wieder rund 700 Menschen in der Gemeinde. Das Zentrum des Ortes bildet das sanierte Gutshaus, der sogenannte Musenhof. Laut Historikern stammt das Wort Poppen in den Ortsnamen aus Zeiten, in denen Erzbischöfe oder Bischöfe diesen Namen trugen und hat also eher einen religiösen als sexuellen Hintergrund. Auch Touristenmassen, die per Bus anreisen, wie in Fucking, blieben bisher aus. „Dabei haben wir hier durchaus einige Unterkünfte“, wirbt der Bürgermeister für einen Besuch. Sowieso sei Jörg Wallis ein begeisterter Poppendorfer. „Wir haben ein tolles Dorf“, erklärt er selbstbewusst. „Der Ort ist in alle Richtungen erschlossen, dazu sind alle Kabel für den Netzausbau verlegt, wir haben neue Straßen und LED-Lampen ...“, zählt er auf. Poppendorf-T-Shirt als Idee verworfen: Der Bürgermeister weiß, dass viele Menschen gern Poppendorfer werden würden. „Wir hoffen deshalb, dass die Hansestadt uns weitere Wohngebiete erschließen lässt“, spielt er auf den Stadt-Umland-Streit um die Expansion der Gemeinden in der Vergangenheit an. Weil noch nicht klar ist, wie viel Zuzug Poppendorf in der Zukunft erwarten kann, hält sich das Gemeindeoberhaupt auch mit Marketing zurück. „Ich hatte schon mal überlegt, ein T-Shirt zu drucken“, sagt Wallis und muss schon grinsen, bevor er das Design verrät. „Da sollte ein Kreis drauf – obendrüber groß Poppen und untendrunter Dort sowie in der Mitte ,ist schön’“, beschreibt er seine Idee, die aber nie realisiert wurde. Lesen Sie mehr: Geklaute Ortsschilder in MV: Souvenir von Hitlers Raketenschmiede Schließlich schafft es die Gemeinde auch so alle Jahre wieder in die Schlagzeilen. Meist im Zusammenhang mit den anderen vermeintlich frivolen Orten, wie Petting, Kissing oder Pumpernudl. „Ich war deswegen auch schon mal im Fernsehen – gemeinsam mit den Bürgermeistern von Busendorf und Hodenhagen in Kai Pflaumes Sendung ,Wer weiß denn sowas?’“, erinnert sich Jörg Wallis. Porno-Webseite kürt die „schmutzigsten Orte“: Eine – leicht zweifelhafte – Ehre ist dem Poppendorf bei Rostock aber bisher nicht zuteilgeworden: Die kanadische Porno-Internetseite „Pornhub“ wählte vor zwei Jahren die „schmutzigsten“ Orte weltweit. Ausgezeichnet wurde natürlich Fucking in Österreich, aber auch drei deutsche Gemeinden schafften es in die Liste: Petting, Titz und Weener, wobei der letztere Name nur durch englische Aussprache eine frivole Bedeutung bekommt. Als „Auszeichnung“ bekamen die jeweiligen Gemeindemitglieder damals eine kostenlose Premiummitgliedschaft der Webseite. Jörg Wallis kann auf solche Titel gern verzichten. Die Poppendorfer seien sowieso nicht verschämt, sondern stolz auf ihre Gemeinde. Das bestätigt auch Dana Bartel. „Ich bin in meiner Schulzeit damit aufgezogen worden, dass ich aus Poppendorf komme“, sagt die 35-Jährige. „Aber eine Umbenennung wäre Quatsch, Poppendorf soll Poppendorf bleiben“, erklärt die Mutter des kleinen Ben (8 Monate). Ihr Mann Patrick musste bei seinen Arbeitskollegen von außerhalb schon Scherze über seinen Wohnort ertragen. „Zum Beispiel, dass hier der Name Programm ist, weil wir gerade so viele Kinder im Dorf haben“, sagt der 34-Jährige. Ortsname ist historisch gewachsen: Michael Köhlmann (59) ist 1994 in die Gemeinde gezogen. Deren Name hätte damals keine Rolle gespielt. „Ich denke, das ist geschichtlich gewachsen und hat mit dem heutigen Verständnis des Wortes nichts zu tun“, sagt der Poppendorfer. Für Juliana Kindt ist die Gemeinde nur der Arbeitsort, sie ist im neuen Dorftreffpunkt angestellt. Einer ihrer Bekannten hätte mal scherzhaft gesagt, dass Poppendorf ja wohl „Fucking-Village“ sei. „Deshalb war es mir anfangs komisch, mich am Telefon mit ,Stall Dich ein in Poppendorf, Guten Tag’ zu melden“, erzählt die 33-Jährige. Mittlerweile sei ihr das aber egal – denn die Poppendorfer finden ihren Ortsnamen einfach geil. Von Claudia Labude-Gericke