Böse Überraschung für Freiberufler und Gewerbetreibende in Rostock: Sie konnten in diesem Jahr ihre Ausnahme-Genehmigungen zum Parken in der Stadt und in Warnemünde nicht mehr verlängern. „Ich war ganz schön baff“, sagt Thomas Henke. Der 53-Jährige hat bereits seit 1997 seinen Tattoo-Laden an der Langen Straße. „Seitdem habe ich immer einen Parkausweis von der Stadt bekommen.“ Warum das nun nicht mehr geht, habe ihm niemand im Rathaus erklärt.
Gebäudereinigerin Ilona Parsch ist ebenfalls auf den Parkausweis angewiesen. Die 65-Jährige fährt täglich aus Sanitz zu ihrem Geschäft in Stadtmitte. „Ich weiß nicht, wo ich hier ohne Ausnahme-Genehmigung parken soll“, sagt Parsch. Ähnlich äußert sich Roland Baltrusch, der mit seiner Frau einen Gewerbebetrieb mit vier Mitarbeitern in der Innenstadt führt. „Wir produzieren Stempel und Schilder vor allem für die Industrie und sind bei unserer Arbeit zwingend auf das Auto angewiesen“, sagt Baltrusch. Kundenberatungen außer Haus und Schildermontagen gehören zu den täglichen Aufgaben. „Ohne Auto geht das nicht.“
20 Jahre lang falsche Vergabe-Praxis
Hintergrund: Freiberufler und Gewerbetreibende, die in Bewohnerparkgebieten ansässig sind und über keine eigenen Parkmöglichkeiten verfügen, konnten bisher bei der Stadt eine Ausnahme-Genehmigung vom Bewohnerparken beantragen. Die Vergabe dieser Sonderparkausweise hat das Rathaus nun jedoch auf den Prüfstand gestellt. Auslöser ist ein Antrag des Ortsbeirates Warnemünde. Anwohner haben hier immer wieder kritisiert, dass in ihrem Bewohnerparkgebiet zu wenig Stellflächen für sie übrig bleiben, weil es zu viele Inhaber von Ausnahme-Genehmigungen gebe.
1500 Ausnahme-Genehmigungen in Rostock
Die Vergabe von Ausnahmen ist in Paragraf 46 der Straßenverkehrsordnung geregelt. Sondergenehmigungen sind demnach nur in besonderen Fällen gerechtfertigt und der Nachweis der Notwendigkeit ist entsprechend zu erbringen.
Laut Stadtverwaltung werden in ganz Rostock pro Jahr etwa 6000 Bewohnerparkausweise und 1500 Ausnahme-Genehmigungen ausgestellt. Die Genehmigungen können bei der Unteren Verkehrsbehörde (Der Oberbürgermeister, Amt für Verkehrsanlagen, Charles-Darwin-Ring 6, 18059 Rostock) beantragt werden.
Ausgenommen von der geplanten Neuregelung sind vor Ort tätige Handwerksbetriebe und ähnliche, die zeitlich befristete Genehmigungen bedürfen und auch weiter erhalten.
Das Problem: „Bisher gab es offenbar überhaupt keine Kriterien für die Vergabe. Jeder, der eine Ausnahme-Genehmigung beantragte, bekam auch eine. Das ist relativ ausgeufert“, sagt Anke Knitter (SPD), Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses der Bürgerschaft. Auch das Rechtsamt der Stadt hat festgestellt: Die mehr als 20 Jahre praktizierte Vergabe der Ausweise erfolgte auf nicht rechtssicherer Basis.
Abgelaufene Genehmigungen gelten vorerst weiter
Das Rathaus zog daher im Mai die Notbremse: Ausnahme-Genehmigungen sollten nun nur noch in besonders dringenden und gut begründeten Fällen ausgegeben werden – so wie es laut Amt für Verkehrsanlagen in der Straßenverkehrsordnung vorgeschrieben ist. Die Freiberufler und Gewerbetreibenden sind über das neue Vorgehen jedoch nicht informiert worden. „Das ist keine Art und Weise. Wenn die Antragsteller bisher anstandslos eine Ausnahme-Genehmigung erhalten haben, muss die Verwaltung auch erklären, warum das nun nicht mehr möglich sein soll“, sagt Knitter.
Inzwischen hat die Stadt eingelenkt: Bis Jahresende behalten die aktuellen Sonderparkausweise in allen Bewohnerparkgebieten ihre Gültigkeit. „Das betrifft auch abgelaufene Genehmigungen“, sagt Rostocks Bau- und Umweltsenator Holger Matthäus (Grüne). Gemeinsam mit Wirtschaftsvertretern will Matthäus nun eindeutige und nachvollziehbare Kriterien festlegen, nach denen die Sonderparkausweise zukünftig vergeben werden. „Natürlich benötigt ein Unternehmen zum Betrieb auch Parkmöglichkeiten im Umfeld“, so der Senator.
Fallen Freiberufler aus Regelung heraus?
Im Rathaus gibt es dabei jedoch Überlegungen, dass Freiberufler künftig keine Ausnahme-Genehmigung mehr erhalten sollen. Für Knitter ist das ein Unding: „Das betrifft dann ja auch Ärzte, die Hausbesuche bei ihren Patienten machen müssen und daher ein Auto brauchen.“ Als Rechtsanwältin sei sie selbst auf das Auto angewiesen: „Ich sitze nicht den ganzen Tag im Büro. Ich muss zum Beispiel zu Gerichtsprozessen nach Stralsund oder Berlin fahren“, sagt Knitter.
Für Jens Rademacher, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Rostock, ist klar: „Es muss auch weiterhin möglich sein, unter bestimmten Voraussetzungen eine Ausnahme-Genehmigung zu beantragen.“ Kritisch sieht die IHK, dass Bewohnerparkgebiete über die Innenstadt und Warnemünde hinaus immer weiter ausgedehnt werden. „Damit werden diese Gebiete aufgrund fehlender Parkmöglichkeiten für viele Unternehmen deutlich unattraktiver oder kommen als Standort nicht mehr in Frage“, so Rademacher. Abwanderungen könnten die Folge sein.
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Von André Horn