Rostocker stellen sich hinter ihr Volkstheater

Da sitzen Sewan Latchinian und Stefan Rosinski, künstlerische und kaufmännische Leiter des Volkstheaters auf der Bühne, nicken zustimmend und klatschen Beifall. Sie applaudieren ihrem Publikum, das sich hochemotional hinter sie stellt. So ziemlich jeder der etwa 150 Besucher hat sich gestern beim Theater-Forum der OSTSEE-ZEITUNG für den Erhalt von vier Sparten ausgesprochen. Das taten nicht alle Vertreter der anwesenden Bürgerschaftsfraktionen. Die finanziellen Notwendigkeiten zwingen zu Veränderungen, argumentierten Thoralf Sens (SPD), Berthold Majerus (CDU) und auch Simone Briese-Finke (Grüne) — mit drastischen oder weniger drastischen Einschnitten. Damit hatten sie es schwer beim Publikum, Befürworter von Kürzungen beim Theater waren nicht gekommen. Emotionen kochten hoch. „Zahlen, Zahlen, Zahlen, lasst uns doch lieber über Inhalte reden“, rief Christof Lange (27), der das Schauwerk im früheren Theater im Stadthafen leitet. „Es geht nur ums Geld, wir müssen fragen, welche Kultur wir eigentlich wollen“, sagte auch Gundula Flögel (62). Antje Jonas, Vorsitzende des Theaterfördervereins, hielt ein flammendes Plädoyer über die große Bedeutung des Theaters für eine demokratische Gesellschaft. „Es ist schon schwer erträglich, dass nur über Zahlen gesprochen wird“, nicht die monetäre Seite des Theater sei die wichtigere, sagte auch Intendant Latchinian. Er forderte zwei Jahre Zeit, um zu beweisen, dass das Theater in seiner jetzigen Form bestehen kann. „Wir reden von Abbau-Szenarien, da sollte man nicht vorschnell entscheiden“, sagt Stefan Rosinski. Der aktuelle Zeitplan sieht jedoch vor, dass die Bürgerschaft im Januar über eine Beschlussvorlage von OB Roland Methling (UfR) abstimmt, die die Schließung von Tanz- und Musiktheater bedeutet. Methling, der seine Teilnahme am Forum wie Bildungsminister Mathias Brodkorb (SPD) abgesagt hat, beruft sich dabei auf das Gutachten der Beraterfirma Actori. Das liest Stefan Rosinski ganz anders. „Das Zwei-Sparten-Modell ist teurer.“ „In fünf Jahren hätten wir dann den gleichen Zuschuss“, erklärte Eva-Maria Kröger, Fraktionschefin der Linken und Aufsichtratsvorsitzende des Volkstheaters. Sie steht ohne Wenn und Aber zum Vier-Sparten-Theater, genau wie Sybille Bachmann (Rostocker Bund). Bachmann sieht auch nicht die Notwendigkeit, schon im Januar zu entscheiden. Es gebe keinen Grund, sich von OB Methling oder Minister Brodkorb erpressen zu lassen. Zur Not müssten die Rostocker die fehlenden Millionen eben selber zusammenkriegen, wünschte sich Theaterfreund Klaus-Jürgen Beel. „Wir brauchen Widerstand gegen die eigene Landesregierung“, forderte ausgerechnet die frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Christine Lucyga in Richtung Parteifreund Sens. „Wir können nur mit dem Land und nicht gegen das Land entscheiden“, hielt der dagegen. Auch die SPD sei für ein Vier-Sparten-Angebot in Rostock, die Frage sei nur, ob das auch in der Hansestadt produziert werden müsse. Die Entscheidung sollte im Januar fallen. CDU-Mann Majerus verwies auf die Zielvereinbarung mit dem Land, die diesen Zeitraum vorsieht. Es wäre kein Problem zu vertagen, zumal der Minister gesagt habe, Rostock sei am Zug, sagte Sybille Bachmann. Kröger stellte fest, dass es bis Ende Januar gar nicht möglich sei, die Bürger zu beteiligen. Dafür, in welcher Form auch immer, hatte sich die Bürgerschaft ja mehrheitlich ausgesprochen. Der Rostocker Bund kündigte an, falls notwendig, einen Bürgerentscheid zu organisieren. Thomas Niebuhr

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