Stadtmitte - Vom Zählen und Verzählen — Wahlhelfer bei der Arbeit

Es ist Sonntag. Kurz vor 18 Uhr. Ein junger Mann betritt den Raum — es ist die letzte Stimmabgabe im Wahllokal 230 und Marc-Alexander Schirmer hebt ein letztes Mal die Wahlurnenabdeckung. „Stoßzeiten waren am Vormittag für die 65-plus-Wähler und nachmittags für die Jüngeren“, sagt Wahlvorsteher Schirmer, der das erste Mal ehrenamtlich bei einer Wahl tätig ist. „Es hat mich einfach sehr interessiert, wie das alles abläuft, deswegen mache ich hier mit“, so der 37-Jährige. Astrid Aschmoneit (54), stellvertretende Schriftführerin, ist dagegen Routinier und seit 1998 bei jeder Wahl als Wahlhelferin dabei gewesen — nur einmal nicht, da war sie krank. „Ich bin Stadtangestellte und werde immer direkt vom Oberbürgermeister per Brief als Wahlhelferin angefragt. Dieses Mal gab es sogar zwei Briefe“, sagt Aschmoneit, die aber auch aus persönlichem Engagement gern im Wahllokal aushilft, „denn man sollte nicht nur über die Politiker meckern, man kann mitbestimmen und sich beteiligen“. Das Wahllokal 230 im Innerstädtischen Gymnasium schließt wie alle um 18 Uhr. Margot Meyer (69) weiß, jetzt geht die Arbeit erst richtig los: „Nun wird‘s erst richtig kompliziert und anstrengend mit dem ganzen Auszählen. Alles andere vorher ist wie nachmittags Kaffee trinken.“ Unterdessen schüttet Ehemann Hugo Meyer die Urne auf den zusammengeschobenen Schulbänken aus. „Wenn man das Glück hat, in einer Demokratie zu leben, kann man dafür auch ein bisschen was machen“, begründet der 71-Jährige sein Ehrenamt. Alle sind konzentriert, nur das Knistern der Stimmzettel ist zu hören. Es wird ausgezählt. Auf einmal vibriert es in der Hosentasche von Margot Meyer, „die nächste Hochrechnung“, kündigt sie an und das fünfköpfige Wahlhelferteam um Schirmer unterbricht kurz seine Arbeit und schaut auf. „42,3 Prozent für die CDU, 26 Prozent für die SPD und die FDP ist wohl weg vom Fenster“, liest Margot Meyer vor, „meine Tochter schickt mir die aktuellen Zahlen per SMS.“ Dann ein Schluck Wasser und weiterzählen. Einen Stimmzettel hält Margot Meyer länger in der Hand: „Da kam sich einer besonders klug vor. Alles durchgestrichen“, sagt sie und legt ihn auf den Stapel der ungültigen Stimmzettel. „Da fragt man sich, was sie damit bezwecken wollen, verschenken doch ihre schöne Stimme“, erwidert Wahlhelferin Barbara Kleu (63). Die Aufwandsentschädigung von 30 bis 40 Euro, abhängig vom Ehrenamt, sei angemessen: „Man opfert ja nun auch einen ganzen Tag“, sagt Hugo Meyer und hat sich prompt verzählt. Also noch einmal von vorne. Tracy Sawallich