Warnemünder Volljolle setzt die Segel

Aufregung macht sich auf der historischen Bootswerft des Schiffbau- und Schifffahrtsmuseums im Iga-Park breit. Nach dreijähriger Bauzeit soll hier am Montagmorgen die Warnemünder Volljolle „Oll Stromer“ zu Wasser gelassen werden. Keine leichte Aufgabe, denn der Wasserstand ist deutlich niedriger als zunächst erwartet. „Wir haben lange auf diesen Tag hingeplant. Einzig das Wetter und den Wasserstand konnten wir nicht beeinflussen“, sagt Bootsbauer Uwe Ahlgrimm. Trotz der erschwerten Bedingungen ist er zuversichtlich, dass die Volljolle ihre erste Fahrt erfolgreich meistern wird. „Sie darf nicht untergehen. Ich habe nämlich meine Badehose zu Hause gelassen“, sagt er, als er an Bord geht. Mit jedem Zentimeter, den das Boot bewegt wird, steigt die Spannung. Nach einem großen Ruck ist es schließlich vollbracht. Die Volljolle ist im Wasser und Ahlgrimm immer noch trocken. Erleichterung macht sich in den Gesichtern der fleißigen Helfer breit. „Hurra, es hat geklappt“, ruft einer der Zuschauer. Regionales Kulturgut zum Leben erweckt: Es ist das erste Mal seit Mitte der 1950er Jahre, dass solch ein Boot über die Warnow fährt. Damals nämlich sind die Twei-Smaker, die Anfang des 18. Jahrhunderts entstanden, vollständig aus dem Stadtbild verschwunden. Das letzte Exemplar wurde von seinem Eigentümer im Strom versenkt. Die Idee, eines der traditionellen Fischerboote nachzubauen, sei bereits 2016 entstanden, wie Dr. Kathrin Möller vom Schifffahrtsmuseum Rostock berichtet. Mit dem 46 000 Euro teuren Projekt, das ausschließlich durch Spenden abgedeckt wurde, sollte ein regionales Kulturgut wieder zum Leben erweckt werden. „Und das ist uns gelungen“, sagt Werner Iffländer, Vorsitzender des Förderkreises für das Schifffahrtsmuseum, zufrieden. „Unser Wunsch ist es, dass die Volljolle nun viele Jahre schwimmt und zu einer Attraktion für unsere zahlreichen Besucher wird.“ Von Planken und Pannen: Ursprünglich sollte das Boot bereits zum Geburtstag der Hanse- und Universitätsstadt präsentiert werden. Doch ein paar Schwierigkeiten brachten den Zeitplan durcheinander, wie Uwe Ahlgrimm bestätigt: „Es hat nicht immer alles so funktioniert, wie wir es uns gewünscht hätten. Als wir beispielsweise eine der Planken aufgesetzt haben, ist sie uns am nächsten Morgen wieder gerissen. Das zu beheben, war mit viel Arbeit verbunden.“ Auch musste die knapp 7,50 Meter lange Volljolle nach einer Handzeichnung ohne Maßangabe aus einem acht Meter langen Baumstamm aus Kambala gefertigt werden. „Das hat uns viel Recherchearbeit und Vorbereitungszeit gekostet“, erinnert sich der Bootsbauer. Bevor es an die eigentliche Konstruktion ging, haben die Helfer zudem eine maßstabsgetreue Skizze erstellt, um eine genaue Vorstellung von dem Endergebnis zu haben. Volle Fahrt voraus für Jolle und Besucher: Insgesamt drei Bootsbauer und sechs Ehrenamtler haben letztendlich in liebevoller und aufwendiger Handarbeit 56 Spanten vorm Biegen gekocht, rund 1600 Kupfernieten in die 18 Planken eingeschlagen, die Masten aufgestellt und die Segel befestigt. Jetzt, da das Boot fertig und vor allem seetauglich ist, sollen sich auch Besucher des Schifffahrtsmuseums daran erfreuen können. „Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, damit eine Runde zu drehen und ihnen zeigen, wie es sich früher für die Fischer angefühlt hat, aufs Wasser hinauszufahren. Es wäre ja schade, wenn das Boot nicht genutzt werden würde“, erklärt Ahlgrimm. Dabei soll die Warnemünder Volljolle nicht nur auf der Warnow und auf dem Alten Strom, sondern auch im südlichen Ostseeraum unterwegs sein. Lesen Sie auch Zum Hafengeburtstag: Warnemünder Volljolle soll erstmals auslaufen Rostock: Kunsthalle wird saniert - letzter Besuch liefert spannende Einblicke Altare, Gemälde und eine Uhr: Mecklenburgs Kirchenschätze Von Susanne Gidzinski