Warnemündes Pastor Moritz hofft: „Corona ermöglicht neuen Zusammenhalt“

Es sei ganz besonders der persönliche Kontakt zu seinen Gemeindemitgliedern und auch der Familie, der Warnemündes Pastor Harry Moritz im Moment fehlt. Seit 16 Jahren leitet er in dem Rostocker Seebad die Geschicke der evangelisch-lutherischen-Kirchengemeinde in Warnemünde. In all den Jahren habe er nie so sehr improvisieren müssen wie derzeit. Aber neben all den Sorgen, die der Corona-Virus der Gesellschaft bereitet, sieht der Pastor auch einige Gründe für Zuversicht. Derzeit läuten in Warnemünde täglich um 19 Uhr für fünf Minuten die Glocken. Zeitgleich stellen viele Warnemünder Kerzen in die Fenster ihrer Häuser. Der Hintergrund? Warnemündes Pastor Harry Moritz hat alle Bewohner eingeladen, unter dem Motto „Wir halten uns fern und sind füreinander da – Licht der Hoffnung“ ein Gebet zu sprechen. Dies könne das Vaterunser sein, aber auch das Corona-Gebet, welches er mit Gemeindepädagogin Manja Bednarz und Kantor Sven Werner in das außerordentliche Gemeindeblatt gesetzt hat. Gemeindemitglieder sind Risikogruppe: In diesem wird Jesus Christus gebeten, jenen beizustehen, die im Moment erkrankt sind, die im Gesundheitswesen arbeiten, die wichtige Entscheidungen für die Gesellschaft tragen und natürlich auch jenen, die im Moment um ihre Existenz bangen. Denn neben der Angst vor einer Ansteckung ist es die Sorge um die berufliche Zukunft, die laut Moritz derzeit viele Warnemünder umtreibe. „Viele Bewohner sind so sehr auf den Tourismus angewiesen, dass die derzeitige Situation für sie nur schwer zu ertragen ist.“ Den letzten Gottesdienst hat Moritz am 15. März abgehalten. „Damals hatte sich der Ernst der Lage schon abgezeichnet, aber ich hatte mir dennoch nicht vorstellen können, dass es sich so dramatisch entwickeln würde.“ Dabei sei es gerade in Warnemünde – dem Stadtteil mit dem höchsten Altersdurchschnitt Rostocks – wichtig, schnell zu handeln. „Unsere 1143 Gemeindemitglieder sind im Schnitt über 65 Jahre alt. Sie sind also die Risikogruppe und so mussten wir alles radikal absagen“, sagt Moritz. Videogottesdienst aus Warnemünde: Seither wendet sich der Pastor vermehrt den digitalen Möglichkeiten zu, die sich den Menschen heute bieten. „Wir können so dankbar über die Technik sein, die über Rundfunk, Internet und TV die geistliche Versorgung sicherstellt.“ Auf der Webseite der Warnemünder Kirche bietet der Pastor auch selber Musik, Lesungen, Gebete und Segen an – an Fest- und Sonntagen. Außerdem haben sich die Rostocker Kirchgemeinden verständigt, abwechselnd die Sonntagsgottesdienste auf dem Videoportal Youtube zu präsentieren. „Am 26. April kommt der digitale Gottesdienst aus Warnemünde“, sagt Harry Moritz, der diesen im Moment bereits vorbereitet. Information, Achtsamkeit und Nachsicht: Er ist sich sicher, dass das Angebot genutzt wird. „Ich bin wirklich erstaunt darüber, wie vernetzt und unheimlich weit die Warnemünder Gemeindemitglieder schon sind.“ So würde ein Großteil bereits den Umgang mit Skype, Zoom oder Whatsapp mit Bravour beherrschen. „Es gibt einige 80-Jährige und auch Ältere, für die das bereits völlige Normalität ist.“ In der derzeitigen Situation sei laut dem Pastor Information, Achtsamkeit und Nachsicht besonders wichtig. „Ich selber informiere mich vorrangig über die öffentlichen Rundfunkanstalten, schaue täglich die Tagesschau und das Heute-Journal. Aber auch die lokale Presse gewinnt an Priorität. Die Leute wollen ja wissen, was vor ihrer Tür derzeit passiert.“ Panische Handlungen und Ausgrenzung: Dabei sorgen ihn Berichte von zerstochenen Reifen und Autos, die in MV mit Steinen beworfen werden, nur weil sie ein anderes Kennzeichen haben. „Viele Warnemünder haben Firmenfahrzeuge, die ein anderes Kennzeichen tragen. Wir müssen panische Handlungen und Ausgrenzung dringend vermeiden.“ Um gut durch diese Zeit zu kommen, hat der Pastor sein ganz eigenes Rezept: „Mit Gottvertrauen und Zuversicht jeden neuen Tag beginnen. Wir sollten aufeinander achten und die digitalen Möglichkeiten ausschöpfen, um in Kontakt zu bleiben.“ Ein neuer Zusammenhalt: Über den Umgang der Warnemünder mit der derzeitigen Krise sorgt er sich derweil nicht. „Die Menschen hier akzeptieren die Maßnahmen und gehen toll miteinander um“. Seine Hoffnung ist, dass auch nach der Krise etwas davon bleibt. „Ich glaube, wir schätzen die direkten menschlichen Beziehungen noch etwas mehr wert. Corona ermöglicht einen neuen Zusammenhalt. Wir lernen, uns neu zu beachten“, sagt Moritz. In der Kirche selbst tut sich derweil so einiges. „Wir nutzen die Zeit für Reparaturen und Reinigungsarbeiten.“ So gebe es, dank der Initiative des Kirchenfördervereins, eine neue Beleuchtung im Dachbodenbereich, Kirchenbänke werden ausgebessert und Fugen an den Kirchenfenstern erneuert. Wann der Pastor wieder damit rechnet, einen großen Gottesdienst mit seiner Gemeinde zu feiern? „Ich wünsche mir das so schnell wie möglich, aber rechne nicht vor Juni/Juli mit dem nächsten öffentlichen Gottesdienst.“ Die Landesregierung hatte am Montag mitgeteilt, dass man an Regelungen arbeite, die Gottesdienste unter strengen Auflagen ab 4. Mai wieder ermöglichen könnten. Auf der Webseite kirche-warnemünde.de finden Interessierte zahlreiche Videos und Hinweise zu der derzeitigen Gemeindearbeit. Darüber hinaus ist Pastor Moritz auch erreichbar – sowohl per Mail (warnemuende@elkm.de) als auch per Telefon (0381 / 37 55 967). Darüber hinaus empfiehlt der Pastor die Hilfsangebote der Telefonseelsorge: 0800 111 0 111 / 0800 111 0 222 / 0800 116 123. Lesen Sie auch: Youtube-Predigt in Rostock: So funktioniert Gottes Segen für die Netzgemeinde So lief die Sprengung der Fliegerbombe im Rostocker Hafen Bauvorhaben in Warnemünde: Entstehen hier Ferienwohnungen? Von Moritz Naumann