Bei Wismar: Studenten der Uni Rostock legen slawische Funde frei

Nach Grabungen auf einem Feld an der Bundesstraße 105 bei Kalsow haben Studenten der Universität Rostock slawische Funde aus dem 9. und 10. Jahrhundert freigelegt: Keramik, Tierknochen, verkohlte Getreidekörner. „Das ist insofern spannend, weil in diesem Gebiet bislang keine slawischen Funde bekannt sind“, sagt Dr. Daniel Winger, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Uni. Grabung zu Ausbildungs- und Forschungszwecken: „Viele Dorfbewohner haben sich gewundert, warum seit Tagen mehrere Autos auf dem Acker stehen“, sagt Dietmar Hocke, Landwirt und Bürgermeister der Gemeinde Benz, zu der Kalsow als Ortsteil gehört. Auf seinem Maisfeld nehmen seit zwei Wochen acht Studenten der Ur- und Frühgeschichte archäologische Grabungen vor. Sie dienen Ausbildungs- und Forschungszwecken. Grabungsleiter ist Prof. Dr. Hans-Jörg Karlsen, Lehrstuhlinhaber am Heinrich-Schliemann-Institut für Altertumswissenschaften an der Uni. Ehrenamtler entdeckten Fundplatz: Den großflächigen Fundplatz haben vor drei Jahren ehrenamtliche Bodendenkmalpfleger entdeckt. Dabei sollen sie auch Silbermünzen aus dem 2. Jahrhundert gefunden haben. Die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger sind vom Landesamt für Kultur und Denkmalpflege geschult. Das habe nicht die personellen Ressourcen, um die Funde zu bearbeiten und Forschungsgrabungen vorzunehmen, erläutert Dr. Winger. Die Studenten hingegen müssen mehrere Wochen Grabungserfahrungen sammeln. Weil dies im Frühjahrssemester coronabedingt schwierig gewesen sei, habe man jetzt eine kleine Lehrgrabung angeboten. Grabungsfeld ist 25 Quadratmeter groß: Mit Hilfe geomagnetischer Prospektion (Messung) wurden in dem Gebiet archäologische Stätten erkundet und erfasst. Die sind in einer Karte dokumentiert. „Daran kann man sehen, wo Eingriffe im Boden stattgefunden haben, zum Beispiel Verfüllungen“, erklärt Winger. Auch Humus oder Asche seien in unfruchtbarem Sand messbar. Das Grabungsfeld der Studenten befindet sich im Maisfeld etwa 300 Meter vom Feldweg entfernt, an dem die Autos geparkt sind. Der „Schnitt“, wie der Fachmann sagt, ist 25 Quadratmeter groß und einen Meter tief. Etwa 25 Kubikmeter Boden haben die jungen Frauen und Männer mit Schaufeln ausgehoben und eine slawische Grube freigelegt, in der gekocht wurde. Slawen haben über offenem Feuer gekocht: „Wir haben Tierknochen gefunden, die vermutlich von Schweinen stammen, und verkohlte Getreidekörner. Das könnte Hirse sein“, berichtet Dozent Winger. Außerdem haben die Studenten keramische Scherben freigelegt. Sie könnten von einem Topf oder Vorratsgefäß stammen. Das lasse den Schluss zu, dass hier Menschen im 9. oder 10. Jahrhundert über offenem Feuer ihr Essen gekocht haben. Auch ein Pfostenloch, das von einem hölzernen Pfosten übrig geblieben ist, haben die jungen Leute bei ihrer Grabung entdeckt. „Der Pfosten könnte von einem Zeltdach stammen“, vermutet Winger. Zweiter Fund bietet Diskussionspotenzial: Unmittelbar neben dem slawischen Fund sind zahlreiche schwarze Steine im Boden zu sehen. Sie weisen auf eine Feuerstelle hin. Für eine Herdstelle sei dieser Fund zu tief. Für einen Ofen nicht rund genug. Möglicherweise wurde hier auch ein Brunnen verfüllt. „Wir haben auch enorm viele Steine gefunden, drei bis vier Schichten Steine“, berichtet Studentin Julia Dabel. Während sich die slawischen Funde am Rand konzentrieren, würden sich die Steine unter der Grube hindurchziehen. „Die Befunde überdecken sich. Vieles ist noch unklar und bietet Diskussionspotenzial“, gibt Julia Dabel die Auffassung der Grabungsteilnehmer wieder. Funde werden in Masterarbeit ausgewertet: Es könnte sich um Reste einer kaiserzeitlichen Siedlung aus dem 1. oder 2. Jahrhundert handeln. Darauf würden auch die Silbermünzen hinweisen, die die ehrenamtlichen Bodendenkmalpfleger 2017 hier gefunden haben, erläutert der Uni-Dozent. „Wir müssen die Funde auswerten und werden dies wahrscheinlich im Rahmen einer Masterarbeit tun.“ Dafür hat Dr. Winger Studentin Julia Dabel im Blick, die im kommenden Wintersemester ihre Masterarbeit schreiben möchte. Gemeinde Benz soll Fotos von Grabung erhalten: Die Studenten haben die Funde wissenschaftlich und technisch im Maßstab 1:10 gezeichnet. Mit einer Drohne wurden Aufnahmen gemacht. Bürgermeister Dietmar Hocke nahm das Versprechen entgegen, dass die Gemeinde Benz Fotos von den archäologischen Grabungen erhalten wird. Die sollen dann im Gemeindezentrum ausgestellt werden, das die Gemeinde plant. Die Funde werden im Magazin des Landesamtes für Kultur und Denkmalpflege archiviert. Lesen Sie auch Karow bei Wismar: Auktionshaus versteigert zwei Hektar großes Areal Nach Unfall auf A20 bei Wismar: Hätte die Polizei den Tod zweier Menschen verhindern können? Nordwestmecklenburg: Besucherrekord bei Hofführungen der Landwirte Von Haike Werfel