Fast 80 Bohrlöcher für das „Lotsenhus“

Das gewaltige Bohraggregat an Wismars beliebtester Flaniermeile am Alten Hafen zieht zwangsläufig die Aufmerksamkeit auf sich. Vor allem, wenn sich das lange Rohr im unmittelbarer Nähe des Bauzaunes stetig tiefer in das Erdreich „frisst“. Dort sind die Gründungsarbeiten für das künftige „Lotsenhus“ fast abgeschlossen. Am heutigen Donnerstag wird die letzte Bohrung eingebracht. Insgesamt 78 Bohrkerne sind es dann, die das künftige Bauwerksfundament auf morastigem Hafengrund stabilisieren. Nach der Fertigstellung werden im „Lotsenhus“ 16 Ferienwohnungen, die zwischen 60 und 120 Quadratmeter groß sind, sowie im Erdgeschoss Gewerberäume zu finden sein. Die Gewerbeflächen sind bereits komplett vergeben. Geplant ist für das Objekt eine 18-monatige Bauzeit. Zu Jahresbeginn 2017 sollen die Eigentümer und Nutzer einziehen können. Der Arbeitslärm hält sich erfreulicherweise sehr in Grenzen, sodass das leichte Dröhnen des Atlas XII-Aggregates kaum stört. Und dies, obwohl über ein hohes Rohrgestänge ein Schneidkopf bis 27,50 Meter in die Tiefe vordringt. „Wir nutzen seit Jahren eine sehr umweltschonende Technologie der Verdrängungsbohrung. Das Verfahren ist effizient und schnell. Störende und lärmende Rammschläge gibt es dabei nicht“, erklärt Bauleiter Uwe Gollan. Im Rhythmus der Bohrarbeiten erreichen die Betontransporter die Baustelle. Sofort nach dem Abbohren auf Solltiefe erfolgt das Verfüllen des neuen Bohrlochs. „Die Fahrzeuge treffen hier exakt nach Terminaufforderung ein. Das klappt sehr gut“, bestätigt Gollan. Etwa sechs Tonnen fließen so in den entstandenen Bohrkern aus Stahlbeton. Dazu wurde vor dem Gießen das Bohrloch noch mit einem Bewehrungskorb aus Stahlgeflecht bestückt. Gleich danach erfolgt das Ziehen des Bohrrohres, während die stählerne Fußspitze unter dem Schneidkopf im Boden verbleibt. „Ein starker Überdruck im so entstandenen Bohrkern sorgt dafür, dass jeder Hohlraum gleichmäßig mit dem flüssigen Beton ausgefüllt wird“, erklärt der Bauleiter weiter. Inzwischen hat der von Ketten angetriebene Superbohrer mit integriertem Kran seine Stützen eingezogen und rollt zur nächsten Bohrposition. So beschrieben, mag das alles recht simpel klingen, doch die Technologie ist technisch wesentlich ausgereifter, als der Laie es empfindet. Immerhin wirken etwa 40 Tonnen, in hydraulische Kräfte umgesetzt, auf das Bohrgestänge. Dank der Technologie sind in der Regel nur zwei Spezialisten des Unternehmens Franki Grundbau GmbH und Co. KG vor Ort. Dringen die Bohrungen ungehindert in den Grund, stellt das Team pro Tag sieben dieser Betonkerne komplett fertig. Zu den Fachleuten gehört auch Bohrmeister Udo Fanslau. Der 56-Jährige aus der Havelberger Region kennt Wismar bereits. Denn er hat unter anderem bei Gründungsarbeiten die Bauplätze vom Multimedia Port des Technologie- und Forschungszentrums, der Markthalle, des Anbaus vom Hotel „New Orleans“ sowie der neuen Rudolf-Tarnow-Schule „durchlöchert“. Das Projekt „Lotsenhus“ lehnt sich übrigens an das benachbarte „Schifferhus“ an. Allerdings ist es mit circa 2500 Quadratmetern Wohn- und Nutzfläche etwas größer konzipiert. „Das Grundstück ist an der Front breiter als das vom ,Schifferhus‘. Deshalb wird das ,Lotsenhus‘ einen Aufgang mehr erhalten“, erläutert Steffen Matzkowitz von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Das Wismarer Unternehmen und die bundesweit in der Stadtentwicklung tätige Deutsche Stadt- und Grundstücksentwicklungsgesellschaft mbH & Co KG haben für das Bauvorhaben die „Alter Hafen Lotsenhus GmbH“ gegründet. Beide Gesellschaften betreiben sie zu gleichen Teilen. Die Gesamtinvestition beträgt rund fünf Millionen Euro. Hans-Joachim Zeigert

Wismar - Fast 80 Bohrlöcher für das „Lotsenhus“