Keine Törns, keine Hochzeiten: Poeler Kogge in schwerer See

Wie schwer werden die kommenden Monate? Diese Frage stellen sich zurzeit viele Vereine – auch die Mitglieder des Fördervereins Poeler Kogge. Anstatt das erste Mal die Segel auf der „Wissemara“ zu setzen, sind die Frauen und Männer mit der Corona-Krise in stürmische See gelangt: Ausfahrten und Hochzeiten fallen aus. Ob das geplante Koggentreffen zu den Wismarer Hafentagen im Juni stattfinden kann, ist ungewiss. Für den Verein bedeutet das herbe finanzielle Verluste. Hohe Rücklagen gibt es nicht. Die Crew ist traurig: „Wir sind alle sehr traurig über die Entwicklung“, sagt Koggen-Büroleiter Gerd Lemke. Mit Ausfahrten und Veranstaltungen verdient die Crew das Geld, das notwendig ist, um das Schiff in Fahrt zu halten. Die Kogge ist auch gut in Schuss, und bislang hat es nach einem guten Jahr ausgesehen: Mit 20 Anmeldungen sollte es so viele Hochzeitsfeiern geben wie noch nie. Außerdem sollte ein Koggentreffen mit sechs alten Schiffen hunderte Besucher nach Wismar und auf die Poeler Kogge locken. Doch nach jetzigem Stand schwebt über allem ein großes Fragezeichen. Schweren Herzens hat Kapitän Peter Samulewitz nun das Auftakeln der „Wissemara“ am 4. April abgesagt. Auch die Ausbildungstörns und die erste Hochzeit auf dem mittelalterlichen Schiffsnachbau Ende April fallen ins Wasser. Liveticker zur Coronavirus-Lage in MV 50 aktive Mitglieder: Große Hoffnung, dass sich die stürmische Corona-See bald in ein laues Lüftchen in Deutschland verwandeln wird, hat Gerd Lemke nicht: „Wenn wir nach China blicken, dauert es bestimmt noch mindestens drei Monate, bis es wieder langsam bergauf geht“, vermutet er. Und selbst wenn die Krise abflauen sollte, „werden wir bestimmt nicht gleich wieder ganz viele Leute an Bord lassen“, ergänzt Lemke. Denn viele der mehr als 50 aktiven Fördervereinsmitglieder sind älteren Semesters und gehören damit zur Risikogruppe, bei denen der Virus einen schweren Verlauf nehmen könnte. 24 Menschen infiziert: In Wismar und Nordwestmecklenburg sind aktuell 24 Menschen mit dem Coronavirus infiziert (Stand 14.30 Uhr), 170 Personen befinden sich in Quarantäne. Wie viele Betroffene es am Ende der Krise sein werden, weiß niemand – auch nicht, wie viele Vereine es danach noch gibt. Die Poeler Koggenfreunde sind sich sicher: „Wir schaffen das, wir sind ein großer Verein. Doch einfach wird es nicht“, sagt Gerd Lemke. Der Förderverein „Poeler Kogge“ sieht es als seine Aufgabe, den Nachbau einer hanseatischen Kogge aus dem 14. Jahrhundert, als das bisher größte Schiffswrack der Hansezeit, allen Interessierten vorzustellen. Der Vorstand und nicht zuletzt etliche seiner Mitglieder haben dafür gesorgt, dass die „Wissemara“ für einen Saisonstart, wann auch immer der im Jahr 2020 sein wird, gut gerüstet ist. „Wir haben das Schiff in der Winterpause in einen sehr ordentlichen Zustand versetzt“, berichtet der Wismarer. Deck komplett versiegelt: Das Deck ist mit einem Konservierungsanstrich komplett versiegelt worden. „Der gesamte Technikbereich ist überholt, Elektriker haben die noch ausstehenden Durchsichts- und Überholungsarbeiten abgeschlossen“, zählt der Büroleiter weitere Arbeiten auf. Jetzt fehlt nur noch das Auftakeln – das Aufziehen der Segel. Doch die werden erst mal keinen Wind zu spüren bekommen. Die Kogge bleibt unbesetzt und ist bis zum 20. April erst einmal für Besucher geschlossen. Der Kapitän und sein Maschinist führen tägliche Bord-Kontrollgänge durch und schauen, ob die Leinen halten. Die beiden und alle Vereinsmitglieder hoffen, dass die Koggenfans dem Schiff die Treue halten werden – und ihn vielleicht auch mit Spenden unterstützen. „Die ständigen Erhaltungsmaßnahmen, wie Reparaturen, Werftaufenthalte und Kosten für den Liegeplatz, verschlingen enorme Summen, die nur durch Ausfahrten und Bordveranstaltungen kompensiert werden können“, berichtet Gerd Lemke. „Die Freunde unserer Kogge sollen uns bitte nicht vergessen“, appelliert er. Die kommende Zeit sei schwer, aber Gerd Lemke sagt auch: „Die Kogge wird immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel haben.“ Mehr Infos: Treffen maritimer Giganten zum Hafenfest: So viele Koggen hat Wismar noch nie gesehen Diese Schiffe wurden seit 1950 in Wismar gebaut Drei Vereine pflegen Wismars maritime Tradition Von Kerstin Schröder