Poel: Wochenend-Spaziergänger erobern die Insel

Strahlend blauer Himmel, im goldenen Sonnenlicht glitzert der Schnee, dazu frische Meeresluft. Im Corona-Lockdown sagen sich viele Wochenendausflügler: ab für einen Spaziergang auf die Insel Poel. Die schmale Zufahrt zum ersten Insel-Ort Fährdorf ist gut mit Autos gefüllt. Lautes Geschnatter ist zu hören: Hunderte Wildgänse und ein paar Schwäne genießen die Sonne. Ein Schild empfängt die Besucher stellvertretend für die Poeler mit den Worten: „Peul – Wat för Luftsnappers.“ Genau das wollen die Spaziergänger an den Stränden tun: frische Luft schnappen. Viel los in Gollwitz: Auf dem Parkplatz am Ortseingang von Gollwitz reihen sich die Autos aneinander. Viele Familien sind unterwegs. Doreen Heydenbluth-Peters wartet mit ihrem Sohn Theodor auf ein schneegängiges Transportmittel. Der Kleine hat keine Lust zu laufen und möchte in den Kinderwagen: „Doch den haben wir nicht mit. Deswegen holt der Papa schnell den Schlitten“, erzählt die Mama. Die Familie kommt von der Insel – aus Neuhof-Seedorf. Es lebe sich fantastisch dort. „Ich genieße jeden Tag die Ruhe, die freundlichen Menschen im Dorf, die Pferdekoppeln, Reiter und die Hundespaziergänger. Mein Mann und ich arbeiten in Wismar mit vollem Programm – hier auf der Insel kommen wir runter.“ Blick zur Vogelschutzinsel: Am Strand angelangt, können die Spaziergänger weit über die Ostsee blicken und hinüber zur Vogelschutzinsel Langenwerder. Ein junges Pärchen fällt unter den vielen Menschen auf. Die Frau, Paula, humpelt mit einer Knieorthese und wird von ihrem Mann gestützt. Sie kommen aus Rostock und sind vorher noch nie auf der Insel Poel gewesen. „Ich bin begeisterte Boulderin, eine Extremkletterin“, erzählt sie. Nach einem Sturz laufe sie heute das erste Mal ohne Krücken. Beide genießen diesen Ausflug und humpeln weiter auf dem knirschenden Strandeis. Dort schlendern auch André und Sandra Ihden aus Schwerin entlang. Sie wollten unbedingt mal die zugefrorene Ostsee sehen. Der ehemalige Wismarer hat dafür die Insel Poel ausgesucht. Auch im Leuchtturmort Timmendorf ist der große Parkplatz proppenvoll. Im Minutentakt versuchen weitere Autofahrer freie Lücken zu ergattern. Hinter dem Stellplatz teilt sich die Menschenmenge aber schnell auf. Während die einen ausgiebige Strandspaziergänge unternehmen, bummeln andere auf der kurzen Mole. Lesen Sie auch Insel Poel: Neue Rettungstürme für zwei Strände Wismar: Reste des alten Poeler Tors auf Großbaustelle entdeckt Am Wasser wandern: Auf einer Bank vor dem Leuchtturm sitzen drei Generationen einer Familie. Oma Kriemhilde Herrmann lässt sich mit ihrer Tochter Annett Hathke und Enkelin Jayhan aus Schwerin die Sonne ins Gesicht scheinen. „Wir sind Strandmenschen und wandern gern. Heute haben wir schon fünf Kilometer hinter uns“, erzählen die drei Frauen. Sie kommen oft nach Timmendorf. „Ich habe den Leuchtturm sogar auf meiner Kreditkarte“, erzählt Annett Hathke. Natürlich können sie auch in Schwerin am Wasser wandern, aber Ostsee sei eben Ostsee. Das sieht ein Parchimer Ehepaar genauso. „Hier ist es toll. Ruhig. Wir gehen die Wege, die andere nicht mehr gehen und haben sogar einen Picknickkorb mit“, erzählen die beiden. Aber was in der Flasche drin ist, verraten sie nicht. Kakao und Fischbrötchen: Wer nichts eigenes zur Stärkung dabei hat, kann beim Inselbäcker (mit Anstehen) und bei Andreas Treu in der „Seekiste“ zum Beispiel einen heißen Kakao zum Mitnehmen kaufen. Fischbrötchen gibt es im Hafen von Kirchdorf. Dort ist es ruhiger. Nur wenige Autos parken den Schiffen gegenüber mit Blick auf die Dorfkirche, einem romanisch-gotischen Backsteinbau aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. Die meisten Autofahrer sind von der Insel und holen sich im Imbiss Fischbrötchen. Sie werden heute nicht sehen, was die vielen Spaziergänger am Ende ihrer Inseltour zu lesen bekommen: „Tschüs – un gaude Fohrt nah Hus.“ Von Kerstin Erz