Robert Glatzeder ist der Teufel beim „Jedermann“ in St. Georgen

„Es geht um Ehrlichkeit“, sagt Robert Glatzeder. Wenige Stunden vor seiner Vorstellung am vergangenen Wochenende in der Wismarer Georgenkirche treffe ich den Schauspieler in einem Café in der Krämerstraße. Er bestellt Cappuccino. Der Berliner schätzt guten Kaffee. Wir sprechen über Kunst, Musik, Filme, Gott, die Welt und den Teufel. Letzterer ist seine Rolle im Wismarer „Jedermann“. „Im Theater geht es weniger um Masken und Rollen. Es geht um Ehrlichkeit“, wiederholt der 43-Jährige. „Wenn man aufs Herz zielt, ist es wichtig, alle Masken fallen zu lassen. Du kannst eine Rolle nur von innen heraus entstehen lassen, schauen, was sie mit dir selbst zu tun hat. Sonst bleibt alles hohl.“ Robert Glatzeder liebt seine Rollen, seinen Beruf, seinen Weg. Dennoch ist er mit all seinen Erfahrungen heute nicht sicher, ob er sich noch einmal für die Schauspielerei entscheiden würde. „Die Werte in der Branche haben sich verändert“, sagt er. „Der Kuchen ist kleiner geworden. Theater werden geschlossen. Im Fernsehen sieht man immer die gleichen Gesichter. Nur noch Gerichtsshows, Kochshows . . . Ich kann das nicht ertragen!“ Die Arbeit in Wismar beglückt ihn. „Es ist einfach herrlich, mit Holger Mahlich einen Regisseur zu haben, der uns alle mag, ja, der uns liebt“, sprudelt es nur so aus Glatzeder heraus. „Mit ihm zu arbeiten ist ein Traum.“ Unumwunden gibt er zu: „Wir Schauspieler sind ganz schöne Mimosen. Einfach, weil wir durchlässig sind und unsere Umwelt meist sensibler wahrnehmen.“ Ohne das Gespräch zu unterbrechen, zeigt der 1,85-Meter-Mann mit den braunen Augen plötzlich mit dem Finger gen Himmel. Ein Schwan fliegt über die Altstadthäuser hinweg. Ja, Robert Glatzeder ist ein wacher Mensch. Und einer, der seinen Beruf ernst nimmt. „Berühmtheit und Geld sind nun wirklich die niedersten Gründe, um Schauspieler zu werden. Ich wollte Menschen mit meinem Spiel schon immer glücklich machen, Emotionen lostreten, sie zum Weinen oder Lachen bringen.“ In die Fußstapfen seines Vaters Winfried Glatzeder zu treten, war nicht von Anfang an geplant. „Mein Vater hat mir zunächst sogar abgeraten“, erinnert sich Sohn Robert. (Nach dem Abitur schreibt sich der junge Glatzeder zunächst für Soziologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin ein, studiert später aber Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft.) Doch Bühnensehnsucht und Gene setzen sich durch. Nur ein einziges Mal spricht Robert Glatzeder an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ vor. Mehr zum Selbsttest, aus Spaß an der Freude. Genau das überzeugt die Jury. Robert Glatzeder macht 1998 an der Schule sein Schauspiel-Diplom. Dort hat auch schon sein Vater gelernt. Wieder benutzt er jetzt eines seiner Lieblingsworte: „Herrlich!“ Damit beschreibt er jene Zeit in Potsdam. „Fechten, Akrobatik, Kunstgeschichte . . . Ich war angekommen“, schwärmt er. „Diese körperliche mit der geistigen Arbeit zu verbinden — und dann noch viel Kunst obendrauf. Was wollte ich mehr?!“ Robert Glatzeder steht viel auf der Bühne, oft im Synchronstudio und vor der Fernsehkamera. Auch in mehreren Kinofilmen hat er mitgespielt. Unter anderen in „Die Frau, die an Dr. Fabian zweifelte“. „Eine meiner schönsten und intensivsten Arbeiten“, erzählt er. „Leider ist der Film damals etwas untergegangen.“ Musik. Auch etwas, was Glatzeder liebt. „Die Gitarre in meiner Hand beruhigt mich.“ Zu Hause in Berlin hat er ein kleines Studio. „Musste ich leider etwas verkleinern“, sagt er. „Aus der Gesangskabine wurde jetzt ein Wickelraum.“ Robert Glatzeder schmunzelt. Er erwartet seine erste Tochter. Noch putzt sie sich im Bauch ihrer Mutter. „Es kann jeden Tag soweit sein“, verrät der werdende Vater. „Doch wir haben mit der Kleinen einen Deal: nicht während der Vorstellungen in Wismar“, sagt Glatzeder und lacht. Am Wochenende ist er wieder in St. Georgen zu sehen. Bis zum 9. August „Jedermann“ ist ein unterhaltsames wie farbenprächtiges Spektakel vom Sterben eines reichen Mannes, das bei allem Witz und Schalk heutiger nicht sein kann. Ein Theaterstück von Hugo von Hofmannsthal, das das Hansekontor Wismar in Kooperation mit dem Theater der Hansestadt aufführt. Termine: Gespielt wird noch bis zum 9. August, freitags und sonnabends in der Sankt-Georgen-Kirche. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. (Achtung! Wegen des Internationalen Straßentheaterfestes „BoulevART“ in Wismar finden am 1. und 2. August keine Vorstellungen statt.) Karten verkauft unter anderem das Service-Center der OSTSEE-ZEITUNG, Mecklenburger Straße 28 in Wismar. Es gibt sie an der Tickethotline unter 03 81/38 30 30 17 sowie unter www.jedermann-wismar.de. Ina Schwarz

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