Spendenaufruf für Licht am Horizont: Wismarer Verein betreut Hunderte Kinder

Ingolf Holst hat es als Kind nicht leicht gehabt: Sein Vater wird arbeitslos und kann den Schicksalsschlag nicht verkraften. Irgendwann lebt die Familie von Sozialhilfe, Geld für Ausflüge gibt es nicht. Umso glücklicher ist der Junge, dass er immer wieder mitgenommen wird – zum Indoor-Spielplatz Mumpitz, auf die Poeler Kogge, in den Tierpark. Heute ist er 18 Jahre alt. Er denkt gerne an diese Erlebnisse zurück und ist dankbar: „Mich machen kleine Dinge unglaublich glücklich!“ Ermöglicht hat ihm die Ausflüge der Verein „Licht am Horizont“. Dessen Mitglieder kümmern sich seit elf Jahren um Kinder aus finanzschwachen Elternhäusern und Familien, die auf Hilfe von Betreuern angewiesen sind. „Wir schenken den Kindern Zeit und ein paar schöne Erlebnisse“, sagt Martina Krimmling. Das Telefon der zweiten Vereinsvorsitzenden klingelt oft. Ständig gibt es etwas zu organisieren – gerade jetzt in der Weihnachtszeit. Mehr als 300 Kinder aus Wismar und der Umgebung sollen Geschenke bekommen. Die Präsente müssen besorgt, eingepackt und verteilt werden. Der Verein „Licht am Horizont“ ist 2009 gegründet worden – von Waltraut und Norbert Gelhart. Zurzeit gibt es 56 Vereinsmitglieder. Sie betreuen ehrenamtlich Kinder aus finanzschwachen Familien, die Unterstützung beim Lernen benötigen oder auch in schwierigen Lebensphasen stecken. Sie schenken ihnen ein bisschen schöne Zeit, organisieren Ausflüge, Segeltörns, Spielnachmittage oder Nachhilfen. Zwischen 12 000 und 15 000 Euro lässt sich „Licht am Horizont“ das jährlich kosten. Wenn Sie, liebe Leserinnen und Leser, den Verein unterstützen möchten, können Sie folgende Kontodaten nutzen. Empfänger: Licht am Horizont, Sparkasse Mecklenburg-Nordwest, IBAN: DE 69 14051000 1000366436, BIC: NOLADE21WIS Volks- und Raiffeisenbank, IBAN: DE 28 1406130800 04001591, BIC: GENODEF1GUE Soll Ihr Name nicht veröffentlicht werden, geben Sie das bitte auf dem Überweisungsformular an. Viel nach draußen verlegt: „Normalerweise laden wir die Kinder und ihre Eltern zu Weihnachtsfeiern ein, aber die müssen in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie ausfallen“, bedauert sie. Trotzdem sollen die Mädchen und Jungen nicht vergessen werden. Im Pandemie-Jahr ist das Ausflugsprogramm nicht so abgelaufen wie sonst. Viele Freizeit-Einrichtungen sind geschlossen, Firmen halten sich mit Spendengeldern zurück, weil sie nicht wissen, wie es finanziell weitergeht. „Wir organisieren um die 140 Veranstaltungen im Jahr, 2020 haben wir so viel wie möglich nach draußen verlegt“, berichtet die Wismarerin. Die Kinder sind in den Wismarer Tierpark, den Tigerpark Dassow oder den Elefantenhof Platschow gefahren und mit Schiffen hinaus auf die Ostsee. Nun wird an einem Notfallplan für Weihnachten gearbeitet – auch Ingolf Holst hilft mit. Er ist mittlerweile Vereinsmitglied – das jüngste – und sorgt nun mit dafür, dass Mädchen und Jungen, die nicht sehr viel materielle Dinge besitzen oder aus schwierigen Elternhäusern kommen, ein wenig Aufmerksamkeit bekommen und Zeit mit anderen Kindern genießen können. „Mir hat das damals unglaublich geholfen. Ich konnte für ein paar Stunden die Seele baumeln lassen. Deshalb gebe ich gerne etwas zurück“, betont der Wismarer. Schon seit Langem steht ihm Martina Krimmling zur Seite. Sie ist stolz, wie sich der Schüler entwickelt hat. „Ingolf ist einer unserer Erfolgsgeschichten“, betont sie. Eine eigene Wohnung: Zehn Jahre lang hat sich der Verein um ihn gekümmert. Und Ingolf Holst hat sich um sich selbst gekümmert. Er lernt, sammelt Erfahrungen, engagiert sich lange im Kinder- und Jugendparlament, macht sich dort für die Wünsche der jungen Wismarer stark. Inzwischen besucht er die Berufsschule, ein Fachgymnasium für Wirtschaft. 2022 möchte er sein Abitur machen und danach „unheimlich gerne“ studieren. „Wahrscheinlich Lehramt“, erzählt der junge Mann. Alle Jahre wieder: In der Adventszeit unterstützt die OSTSEE-ZEITUNG gemeinsam mit ihren Lesern Menschen in der Nachbarschaft. In der Aktion „Helfen bringt Freude“ sammeln die zehn Lokalredaktionen für verschiedene Projekte in der Region. Einen Überblick gibt es hier. Schon mit 18 ist er zu Hause ausgezogen. Seither lebt er in einer kleinen Dachgeschosswohnung in der Stadt und organisiert sein Leben selbst. „Für mich war es Zeit, auf eigenen Beinen zu stehen. Ich wollte mich aufs Lernen konzentrieren, das konnte ich zu Hause nicht“, sagt er. Seine Mutter hat eine psychische Erkrankung, arbeitet ein paar Stunden am Tag in den Wismarer Werkstätten, der Vater hat die Familie vor ein paar Jahren verlassen. Eine unbeschwerte Kindheit hat er nicht genießen können. Sondern er hat sich gekümmert, vor allem um seine Mutter. Unterstützung vom Jobcenter: Jetzt den Haushalt alleine zu meistern und dabei alle Finanzen im Blick zu behalten, sei eine Herausforderung. „Aber es funktioniert gut, das macht mich stolz“, sagt Ingolf Holst. Unterstützt wird er auch vom Jobcenter und einer Stiftung. Letztere ermöglicht ihm Weiterbildungen, eine weitere Stiftung hat ihn zu einem Schüleraustausch in die USA geschickt. Zu seiner Gastfamilie hat er immer noch Kontakt. „Sie wollte mich in diesen Jahr in Wismar besuchen, aber wegen Corona ging das leider nicht“, bedauert er. In Amerika hat der 18-Jährige in einer Suppenküche ausgeholfen. In Wismar unterstützt er den Verein Licht am Horizont. Der hat um die 60 Mitglieder. „Alle Generationen sind dabei und mit vollem Herzen“, betont Martina Krimmling. Jeder gespendete Cent sei für die Kinder. Kosten für ein Vereinsbüro, Fahrtkosten oder anderes gibt es nicht. Sterne zu Weihnachten: Sie selbst ist durch Sterne zu dem Verein gekommen. Immer in der Vorweihnachtszeit dürfen die betreuten Kinder Wünsche auf von ihnen gebastelte Sterne schreiben. Die werden dann an Tannenbäumen in Läden und Firmen aufgehängt. Die Kunden und Mitarbeiter können sich einen abnehmen, den Wunsch (im Wert von 15 bis 20 Euro) erfüllen und so für glückliche Kinderaugen sorgen. Martina Krimmling hat von ihrer Schwägerin Ines Löper Jensen von der Aktion erfahren und zwei Sterne gekauft. „Ich wollte unbedingt bei der Übergabe dabei sein. Die Kinder waren so glücklich, seither bin ich dabei“, erzählt sie. Auch zurzeit sind viele fleißige Vereinsmitglieder mit den Sternen beschäftigt. Mehr als 300 Pakete werden gepackt. „In diesem Jahr sind wegen der Corona-Pandemie weniger Geschäfte mit im Boot“, sagt die Wismarerin. Doch die Firma Egger und der Entsorgungsbetrieb EVB haben jeweils 50 Sterne übernommen sowie die Firma Linke. Bei Galeria Karstadt Kaufhof steht ein Sterne-Baum. Das Geschenk wird an der Kasse abgegeben, von den Mitarbeitern weihnachtlich verpackt und kurz vor dem Fest an den Verein übergeben. „Kunden, die bei der schönen Überraschung mitmachen möchten, können auch gerne noch persönliche Grußworte auf der Karte notieren“, sagt Fitore Gashi, die Geschäftsführerin der Filiale. Mit der Aktion könne jeder in der Vorweihnachtszeit ein kleines Zeichen setzen und einem anderen Menschen damit eine große Freude bereiten. Bescheidene Wünsche: Die Sterne können noch bis zum 10. Dezember bei Galeria Karstadt vom Baum genommen werden – auch Tobaccohouse Brinkmann. Die Wünsche sind sehr bescheiden. Sie reichen von Socken, über Buntstifte bis hin zu einem kleinen Lego-Spielzeug. Auch Ingolf Holst hat früher solche Geschenke bekommen – „einmal bei einer Weihnachtsfeier auf der Poeler Kogge“, erinnert er sich. Diese traditionsreiche Veranstaltung muss in diesem Jahr coronabedingt ausfallen. Stattdessen sollen die Präsente in kleinen Säcken vor die Türen gestellt werden – unter anderem in Wismar, Steffin und Naschendorf. Gebracht werden die Päckchen von den Quadfahrern der Sandwürmer MV. Ingolf Holst bereitet die Aktion mit vor. Er hat den Verein auch bei der Onlinehändler-Plattform AmazoneSmile angemeldet. Dort können Kunden mit ihrem Einkauf den Verein unterstützen. Der 18-Jährige hat wie jeder auch mal einen Durchhänger. Doch dann sagt er sich: „Du hast es so weit geschafft, mach’ jetzt weiter!“ Neben dem Schulabschluss hat er ein weiteres Ziel: den Führerschein. „Für den muss ich ziemlich lange sparen. Aber ich brauche kein Geld, um glücklich zu sein. Etwas mit anderen Menschen zu unternehmen und ihnen etwas Gutes zu tun, das ist viel wichtiger.“ Von Kerstin Schröder