Stehende Ovationen beim Neujahrskonzert

Mit stehenden Ovationen und minutenlangem Applaus honorierten die 250 Gäste am Sonnabendabend das Konzert der Norddeutschen Philharmonie im Wismarer Theater. Die Musiker boten bei ihrem traditionellen Neujahrskonzert eine abwechslungsreiche, sehr beschwingte musikalische Mischung. „Faust und Giovanni, garniert mit ein paar Sträußen“, beschrieb Dirigent Manfred Hermann Lehner augenzwinkernd das, was die Gäste erwarten konnten. Erst mal beglückwünschte er die Wismarer zum frisch sanierten, wenn auch noch nicht fertigen Theater. „Zum Glück, die Akustik ist gut geblieben“, so Lehner. Viele Musiker — auch die aus Rostock — schwärmen von der Akustik im Wismarer Haus. Lehner weiter: „Sie müssen es positiv sehen, Sie sind hier in Wismar schon weiter als der Berliner Flughafen und die Elbphilharmonie. Und nicht mal ansatzweise so teuer.“ Er freue sich schon darauf, wieder mit Oper oder Operette nach Wismar kommen zu dürfen, hatte sich vor Konzertbeginn schon den Orchestergraben angesehen. „Noch funktioniert dort nicht alles“, so Lehner. Mit Mozart begann der eineinhalbstündige Klassikabend in der Hansestadt. Allerdings anders als erwartet. Der angekündigte Rostocker Opernchor konnte aufgrund eines hohen Krankenstandes nicht kommen. „Wir haben Ersatz in einer Person mitgebracht“, erklärte Manfred Hermann Lehner. Garrie Davislim, erster Tenor des Rostocker Hauses, sang zwei Arien des Don Ottavio aus der Oper „Don Giovanni“. Die Mozart-Oper gehört zum diesjährigen Spielplan in Rostock. Höchst interessant, was Lehner zwischen den einzelnen Stücken zu erzählen wusste. Beispielsweise zur Ballett-Musik aus der Oper „Faust“ von Charles Gounod (1818-1893). „Das Ballett musste tanzen, egal ob das zur Handlung passte oder nicht“, sagte der Dirigent. So kam es, dass Nubierinnen oder gar Kleopatra musikalisch hörbar, wenn auch nicht tanzend und damit sichtbar auf der Wismarer Bühne erscheinen. Lehner beschrieb auch, wieso diese Ballett-Musik mittlerweile nicht mehr Teil der sonst sehr beliebten Oper ist, sondern sich als eigenständiges Werk etabliert hat. Denn wenn man die Faust-Oper als Ganzes gesehen hat, war es beim Auftritt des Balletts bereits Mitternacht. „Nach vier Akten Faust!“, betonte Lehner. Komponist Hector Berlios (1803-1869) ging sogar noch weiter. Um seinen „Rakoczy Marsch“, einen ungarischen Tanz, in seine dramatische Legende „Fausts Verdammnis“ zu bekommen, verlegte er den ersten Akt der Faust-Geschichte kurzerhand nach Ungarn. Lehner: „Ein genialer Marsch, aber was hat der mit Faust zu tun? Nichts!“ Höchst abwechslungsreich war das, was die Wismarer zu hören bekamen. Die „Faust-Quadrille“ von Josef Strauss (1827-1870), einem österreichischen Erfinder, Architekten, Dirigenten und Komponisten, gab es nur noch in einem handschriftlichen Original in Wien. Nach so viel Faust-inspirierter Musik als Konzertabschluss die Neujahrsklassiker von Johann Strauss (Sohn, 1825-1899), die Ouvertüre zur „Fledermaus“, die „Tritsch-Tratsch-Polka“ und der Walzer „An der schönen blauen Donau“, als Zugabe nach minutenlangem Applaus und stehenden Ovationen der Radetzky-Marsch von Johann Strauss (Vater, 1804-1849). Die Philharmonie Die Norddeutsche Philharmonie Rostock ist der größte Klangkörper des Landes. Im Jahr 1897 als Rostocker Stadt- und Theaterorchester gegründet, spielten zeitweise bis zu 90 Musiker dort mit. Derzeit sind es um die 70 Instrumentalisten. Manfred Hermann Lehner, geboren in München, studierte am „Mozarteum“ in Salzburg. In der Spielzeit 2009/10 kam er als erster Kapellmeister ans Volkstheater Rostock. In den zurückliegenden Monaten war das Orchester insbesondere dadurch in den Blick der breiten Öffentlichkeit gerückt, weil man um seine Existenz in dieser Größe fürchtete. Der Grund: Die Stadt und das Land Mecklenburg-Vorpommern müssen sparen. Nicole Hollatz

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