Sturm in Dassow: Landwirt verteidigt Windkraftprojekt

Sie sorgen für reichlich Gegenwind, teilen die Stadtvertreter in zwei Lager — die geplanten Windkraftanlagen in Dassow. Insgesamt sind sieben bis zu 200 Meter hohe Windräder im Stadtgebiet vorgesehen, eine davon in der angrenzenden Gemeinde Roggenstorf. Potenzielle Betreiber sind die Stadt Dassow, die Firma Enercon, die Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern und Max von Nesselrode, Landwirt in Groß Voigtshagen. Der Unternehmer gerät seit Bekanntwerden der Pläne immer stärker ins Fadenkreuz der Windkraftgegner. „In Dassow sind drei Anlagen auf dem Gebiet der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern geplant und vier auf meinem Grund und Boden“, sagt von Nesselrode. Für den Forst- und Landwirt ist die 24 Millionen-Euro-Investition wichtig, betont er. Vor allem, um seine Unternehmen sicherer aufzustellen: Den Forstbetrieb im Rheinland und den Landwirtschaftsbetrieb Groß Voigtshagen. „Als Unternehmer habe ich eine gewisse Verantwortung für meine Kinder und die 20 festangestellten Mitarbeiter, die in unseren beiden Betrieben arbeiten.“ Wald- und Ackerbau unterliegen Schwankungen. So sei es im Moment nicht einfach, mit Holz Geld zu verdienen. „Ich möchte nicht warten, bis der Holzpreis so schlecht ist, dass wir die Mitarbeiter nicht mehr vernünftig aushalten können.“ Deshalb sieht er sich in der „Verantwortung, seine Land- und Forstwirtschaft zukunftsorientiert weiterzuführen“ und gegen Schwankungen robuster aufzustellen. Um das zu schaffen, liege ihm „das Projekt Windkraft am Herzen.“ Schließlich müsse er auch an die Familientradition denken, sagt er. Von Nesselrode betreibt Land- und Forstwirtschaft in der 19. Generation. Wirtschaftlich zu arbeiten, sei in seiner Branche allerdings immer schwieriger geworden. „Ich sehe, dass die gesetzlichen Regeln für die Forst- und Landwirtschaft immer mehr verschärft werden.“ Es gebe ständig neue Einschränkungen und Regeln. Deshalb sei es „perspektivisch“ für den Betrieb in Groß Voigtshagen wichtig, auf „einem zweiten Standbein“ zu stehen. Also nicht nur Landwirtschaft, sondern auch Windkraft. „Fakt ist, dass wir mit unserem landwirtschaftlichen Betrieb im Klützer Winkel eher zu den kleineren Landwirten zählen.“ Deshalb sei es für ihn wichtig, über die Windkraft weiter voran zu kommen. Wegen der Familientradition sieht er die Notwendigkeit, in Generationen zu denken. „Wenn man bedenkt, wie lange eine Eiche braucht, bis sie hiebsreif ist, ist klar, dass Entscheidungen für die nächsten 50 oder 100 Jahre getroffen werden müssen“, sagt von Nesselrode. Hinzu kommt, dass er von erneuerbaren Energien überzeugt ist und sie als Chance sieht. „Wenn ein Land das hinbekommt, dann Deutschland.“ Der Windkraftanlagenhersteller Enercon, mit dem die Landgesellschaft und von Nesselrode zusammenarbeiten wollen, hat für die Flächen in Dassow Anlagen vom Typ E 115 vorgeschlagen. Gesamthöhe: 206 Meter. Drei Megawatt Strom kann eine solche Anlage erzeugen, sagt von Nesselrode. „Wenn man von 2500 Stunden Betreibszeit pro Jahr ausgeht, kann so eine Anlage theoretisch bis zu 1500 Haushalte versorgen, wenn man man von einem durchschnittlichen Verbrauch von gut 4500 Kilowattstunden pro Jahr ausgeht.“ Die Befürchtungen der Windkraftgegner in Dassow, Roggenstorf und Groß Voigtshagen nimmt von Nesselrode ernst, sagt er. „Ich stelle mich jeder Sachdiskussion und habe von Anfang an das Gespräch mit den Bürgern gesucht“. Dass es bei so einem Projekt Befürworter und Gegner gibt, liege für ihn auf der Hand. Langfristig werde die Akzeptanz aber steigen, ist sich von Nesselrode sicher. „Windkraft ist eine absolute Schlüsseltechnologie für ein Land mit hohem Energiebedarf wie Deutschland. Wir können nicht sauberen Strom und die Energiewende wollen, aber nirgendwo Windräder.“ Aus Sicht von Max von Nesselrode wäre eine „zeitnahe Umsetzung“ der Windkraftpläne in Dassow wünschenswert. Der Staat garantiert für genehmigte Anlagen nämlich nur noch bis Ende 2016 eine festgeschriebene Einspeisevergütung für 20 Jahre. Für den Unternehmer wäre das vor allem für die Finanzierung der Anlagen wichtig. Immerhin stehen Kosten von bis zu 24 Millionen Euro im Raum und eine Rendite von fünf bis sieben Prozent. Nach 2016 sei alles weniger planbar. Denn dann ist die Einspeisevergütung nicht mehr festgeschrieben, „beträgt statt 7,62 Cent vielleicht nur noch 5,6 Cent pro Kilowattstunde“, erklärt der Unternehmer. Für von Nesselrode würde die Rendite ab 2017 geringer ausfallen. Das wiederum bedeutet für die Banken ein größeres Risiko bei der Finanzierung. Der Ton wird rauer Zahlreiche Dassower haben sich im Streit um die geplanten Windkraftanlagen zu Wort gemeldet. Ein Großteil von ihnen wehrt sich gegen die Anlagen. Dassows Pastor Ekkehard stellt sich nun zwischen die Parteien. Denn der Ton wird rauer. „Der Vorwurf, nur von persönlichen Interessen geleitet zu sein, wird von beiden Seiten erhoben und ist als Argument unbrauchbar“, schreibt Maase in einem Brief an die Redaktion. Laut dem Pastor geht es in den Diskussionen weniger um die sogenannten erneuerbaren Energien im Allgemeinen, sondern vor allem um die Form und den anvisierten Standort. „Ich finde es gut, dass es in einem Ort wie Dassow angeregte und kontroverse Diskussionen geben kann. Hier treffen politisch mündige Bürgerinnen und Bürger aufeinander und tauschen sich aus. Das ist viel besser als Stillschweigen und Abnicken oder ewige Besserwisserei an Stammtischen, vorausgesetzt natürlich, dass ergebnisoffen diskutiert wird.“ Er hofft darauf, dass alle, die sich an der Debatte beteiligen, das Wohl des Ortes im Blick behalten. Und dass sie sich auch künftig so vehement für Dassow einsetzen. Steffen Oldörp

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