US-Sanktionen: Wird Wismar zur neuen "Nord Stream 2"-Basis?

Wird Wismar zur neuen Nordstream-Basis? Am Sonntag hat ein weiteres russisches Verlegeschiff Wismar erreicht. Zwei bis drei Wochen soll die „Akademik Tscherski“ im Seehafen bleiben und umgerüstet werden. Danach könnte das Schiff an der umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 weiterbauen – so wie die „Fortuna“. Rückt die Hansestadt damit in den Fokus möglicher US-Sanktionen? Gegen den Fährhafen in Sassnitz auf Rügen, ein weiterer Nord-Stream-Knotenpunkt, hatten US-Senatoren 2019 konkrete Drohungen ausgesprochen. Der Rohrverleger „Fortuna“ ist im vergangenen Jahr in Wismar auf den Einsatz an der Ostsee-Pipeline vorbereitet worden. Vor anderthalb Wochen hat das Schiff zum zweiten Mal Wismar verlassen und jetzt südlich der dänischen Insel Bornholm mit Vorbereitungen und Tests begonnen. Diese Arbeiten seien nötig, bevor die Verlegearbeiten aufgenommen werden könnten, teilte die zuständige Gazprom-Tochter Nord Stream 2 mit. Alle Genehmigungen dafür lägen vor. 2016 an Gazprom verkauft: In deutschen Gewässern fehlen noch 13,9 Kilometer der 1200 Kilometer langen und als Doppelstrang konzipierten Pipeline, in Dänemark sind es noch 60 Kilometer. Viele davon sollte die „Akademik Tscherski“ übernehmen. Das Schiff wurde 2016 nach Russland an das Energieunternehmen Gazprom, dem Hauptinvestor von Nord Stream 2, verkauft. 2020 wurde der Rohrverleger dann ins Eigentum der russischen Kapitalgesellschaft STIF übertragen. Offenbar, damit Gazprom als Muttergesellschaft der Nord Stream 2 AG keine US-Sanktionen drohen. Lesen Sie auch Wismar: So verlässt der russische Rohrverleger den Hafen Wie das Unternehmen informiert, ist die „Akademik Tscherski“ aktuell nicht im Auftrag für Gazprom unterwegs. Weitere Details könne man aufgrund der Rahmenbedingungen nicht mitteilen. Möglich ist aber, dass das Schiff zu einem späteren Zeitpunkt eingesetzt wird, um die umstrittene Pipeline unter dem Druck der US-Sanktionen so schnell wie möglich zu vollenden. Zumal die „Fortuna“ eigentlich für flachere Gewässer gedacht ist. Die „Fortuna“ soll trotz Sanktionen an Nord Stream 2 weiterbauen. Sie war gleich zweimal in Wismar: zur Reparatur von September bis Dezember 2020 und dann wieder Anfang 2020. Zwischendurch hatte das antriebslose Schiff vor Rügen an der Gaspipeline gearbeitet. Die soll nun in dänischen Gewässern fertiggestellt werden. Mitte Januar wurde die „Fortuna“ mit Schleppern auf die Ostsee vor Nienhagen bei Rostock gezogen. Dort lag das Schiff einige Tage. In der vergangenen Woche brach es dann Richtung Bornholm auf. Das sagen Wismars Politiker: René Fuhrwerk von der Grünen-Fraktion in der Wismarer Bürgerschaft fragt sich, was das Verlegeschiff im Wismarer Hafen macht, wenn es nicht am Weiterbau der Nord Stream 2 beteiligt sein soll. „Die Stadt sollte gar nicht erst das Risiko eingehen, mit Sanktionen belangt zu werden“, findet Fuhrwerk. Die Grünen unterstützen das Pipeline-Projekt nicht, weil es klimapolitisch unnötig sei und außerdem das falsche Signal an die Ukraine und Polen sende, die bei der Trassenführung umgangen würden, betont er. Horst Krumpen, Fraktionsvorsitzender der Linken in der Wismarer Bürgerschaft, findet es hingegen „gut, dass die russischen Verlegeschiffe im Seehafen ausgerüstet und repariert werden“. Er habe keine Bedenken, dass die Hansestadt von Sanktionen getroffen werden könnte. „Sie ist kein Akteur in der Sache. Wer Verträge schließt, sollte sie einhalten – auch wenn es dem ein oder anderen ein paar Jahre später nicht mehr gefällt.“ Die CDU-Fraktion lehnt mögliche Sanktionen für die Stadt strikt ab: „Und sie wären ganz klar zu kritisieren“, teilt der Vorsitzende Tom Brüggert mit. Er sei aber hoffnungsvoll, „dass es konstruktive Gespräche der Bundeskanzlerin mit der neuen US-Regierung in dieser Sache geben wird.“ Michael Tiedtke (SPD) findet es nicht richtig, Liegeplätze zu politisieren. Sanktionen befürchtet auch er nicht – denn: „Die Stadt hat mit dem Vorhaben Nord Stream 2 direkt nichts zu tun.“ Und weiter sagt er: „Wenn wir Braunkohle nicht mehr wollen, brauchen wir Alternativen, bis Wind, Solar und Wasserstoff ausreichen, um den Energiebedarf zu decken.“ Auch die Stadt, die Anteilseigener des Seehafens ist, sieht sich auf der sicheren Seite. Dass die Schiffe Liegeplätze in Wismar bekommen, sei eine wirtschaftliche Entscheidung des Seehafens im regulären Geschäftsbetrieb. „Es besteht kein Anlass vonseiten der Stadtverwaltung hier einzugreifen“, teilt die Pressestelle mit. Blockiertes Eigentum: Die „Fortuna“ wurde in der vergangenen Woche von der mittlerweile abgelösten US-Regierung Trump als „blockiertes Eigentum“ eingestuft. Es war das erste Mal, dass die US-Regierung auf Grundlage der Sanktionsgesetze gegen Nord Stream 2 ein Unternehmen wegen der Beteiligung am Bau der deutsch-russischen Gas-Pipeline bestrafte. Ob der Wismarer Seehafen Ärger mit den USA befürchtet, weil er zwei an der Pipeline beteiligten Schiffen einen Liegeplatz gewährt hat, dazu macht die Geschäftsführung keine Aussagen. Das Land geht davon aus, dass die Infrastruktur in Mecklenburg-Vorpommern nicht betroffen ist. Die US-Sanktionsgesetzgebung sehe ein Konsultationsverfahren vor der Umsetzung einer Sanktion vor, teilte das Energieministerium in der vergangenen Woche mit. Wenn neben der Sanktionen gegen die Fortuna-Reederei weitere Auswirkungen drohten, müsste zunächst die Bundesregierung hierzu seitens der US-Administration konsultiert werden. Dies sei bislang nicht bekannt. Fortuna zweimal in Wismar: Nach Angaben von Gazprom sind 94 Prozent der Pipeline fertiggestellt. Sie besteht aus zwei Leitungssträngen mit einer Länge von jeweils rund 1230 Kilometern und soll künftig jedes Jahr zusätzlich 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland befördern. Die USA wollen das Projekt blockieren – weil sich ihrer Meinung nach Deutschland damit zu stark von Russland abhängig machen würde. Mecklenburg-Vorpommern will die Fertigstellung der Gasleitung über eine landeseigene Klimaschutzstiftung absichern. Sie soll sich offiziell dem Klimaschutz widmen, aber auch gewerblich tätig werden. So soll sie insbesondere in Vorlage treten und Bauteile einkaufen, die für die Fertigstellung der Pipeline noch benötigt werden. Vor allem für Firmen, die von Sanktionen betroffen sind und die Bauteile am Markt nicht mehr bekommen würden. Von Kerstin Schröder und Martina Rathke