Wismar: Drei Künstler hoffen auf Ausstellungsgäste in St. Georgen

„Wo jetzt, wenn nicht hier“, fragt Ausstellungskuratorin Miro Zahra beim Blick ins gewaltige Kirchenschiff von St. Georgen. Wo sich sonst zu Ostern die Massen an Tagestouristen einfinden und sich trotzdem im leeren Gebäude verlieren, herrscht nun Ruhe. Meditative oder gespenstische Ruhe, je nach Sichtweise. „Das Bewusstsein für Kunst und Kultur schwindet“, warnt Miro Zahra nach einem halben Jahr mit geschlossenen Galerien und Museen sowie Theatern, bei denen man darüber nachdenken muss, wann sie das letzte Mal bespielt wurden. Die Galerien dürften derzeit und bis zum nächsten politischen Maßnahmenroulette wieder öffnen. Die Wismarer Galerie Hinter dem Rathaus hatte ihre erste Ausstellungseröffnung, mit Luca-App und Gästen unterm freien Himmel. Es geht also. Der riesige überdachte Kunstraum St. Georgen mit einem Raumvolumen von grob gerechnet mehr als einer halben Million Kubikmeter bleibt geschlossen, vorerst. Die Ausstellung „Raumzeichen“ war eigentlich für 2020 im „Kunstraum St. Georgen“ geplant und wurde verschoben, sollte dann am 26. März öffnen. Die Kunst steht längst, nur die Besucher fehlen. Nun können, so Plan und Hoffnung, Gäste nach telefonischer Voranmeldung ab 6. April in die Kirche zum Kunstgenuss (oder Gebet). Schwarz und Minimalismus: Künstler Broder Burow fegt mit einem kleinen Handbesen Staub auf einem seiner Werke. Künstlerkollegin Ruzica Zajec beobachtet, wie sich der Kirchenstaub auf ihre Glasinstallation senkt. Die Werke des dritten Künstlers der aktuellen Ausstellung, Bernd Kommnick, sind abgedeckt, um sie vor diesem Staub zu schützen. Unter der Folie liegt ein schwarzes Kreuz, so lackiert, dass sich die Umgebung und der Kunstbetrachter in der schwarzen Oberfläche spiegeln können. Weniger geht nicht. Und gleichzeitig gibt das wenige so viel. Miro Zahra: „Bernd Kommnick bezieht sich in seiner radikalen künstlerischen Haltung auf die Idee der absoluten Zurücknahme der Individualität bis zur fast vollständigen Auflösung und Verschmelzung des Objekts im und mit dem es umgebenden Raum.“ Weiter erklärt sie: „Er ist ein Minimalist. Minimalistischer geht es nicht.“ Der Künstler selbst über sein Werk: „Ich arbeite mit schwarzen Bodenobjekten. Dabei assoziiere ich Schwarz mit Nichts. Beim Sehen und Denken der Bodeninstallation wird der Betrachter auf sich selbst zurückgeführt. Sie beinhaltet die Erfahrung der Verborgenheit, der Abwesenheit, der Leere und der Spiritualität.“ Glas und Staub: Acht mal acht Glasobjekte hat Künstlerin Ruzica Zajec so elegant in einem Glasregal übereinander angeordnet, dass durch Spiegelungen die Wirkung gläserner Säulen entstehen. Zerbrechliche Säulen in einem Raum voller riesiger, stabiler Säulen. Diese Steinsäulen und die hohen Fensterfronten spiegeln sich nun wider und wider im Glas der Künstlerin, brechen es und sorgen, je nach Licht, für eine sich immer verändernde Situation. Der Staub in der Kirche ist eine dieser Veränderungen, die die Ausstellungsobjekte erfahren werden. Ruzica Zajec hat sich mit dem Staub auseinandergesetzt. Ein Staubtuch hat sie als Makro fotografiert – kunstvoll in Schwarz-Weiß entwickelt, erhebt sie die Staubtuchbilder auf alten Metallstativen selbst zur Kunst. Lesen Sie auch Wismarer Galerie: Bernadette Maria Roolf zeigt Malerei und Skulpturen Wismar: Størtebeker dreht Video für neuen Song Käthe Veddermann Kreismusikschule Nordwestmecklenburg gibt Online-Kurse - so geht es Ecken und Linien: Ihr Partner, Künstler Broder Burow, lässt die potenziellen Ausstellungsbesucher erst über liegende Dreiecke im Raum stolpern – visuell. Seine Fragmente waren Teil einer älteren, größeren Arbeit. Vier große Kuben, die er zersägt hat. „Diese Veränderung ist spannend“, erklärt er. Wie Eisschollen türmen sich nun die Ecken in St. Georgen, fließen auf dem Steinboden als Fremdkörper, die durch das natürliche Material dann doch passen. Die Hoffnung ist, dass die Werke dann ab 6. April bis zum 2. Mai auch für die Öffentlichkeit zu sehen sind, jeweils täglich von 10 bis 18 Uhr. Allerdings nur nach telefonischer Voranmeldung bei der Tourist-Information unter 03841-19433. Unter der Nummer erhalten Besucher auch weitere Informationen. Beim Besuch der Ausstellung sind die aktuellen Hygienevorschriften zu beachten. In der Kirche gilt Maskenpflicht. Ruzica Zajek, geboren 1959 in Kroatien, lebt und arbeitet in Kaarz. Sie hat Grafikdesign und später Kunst studiert, hat Stipendien und Kunstpreise bekommen und ist zum Beispiel in der Kunstsammlung Neubrandenburg vertreten. Broder Burow, 1949 in Lindholm geboren, lebt ebenfalls in Kaarz. Sein Weg zum Künstler war länger: Nach der Tischlerlehre, Ausbildung zum Heilerzieher, Ausbildung als Drechsler – seit 1978 ist er selbstständig mit dem eigenen Atelier und der Werkstatt. Bernd Kommnick, geboren 1960 in Bützow, lebt und arbeitet in Neubrandenburg. Er hat Malerei in Berlin-Weißensee studiert. Es folgten Stipendien und Ausstellungen. Er imitiert die Natur. Seine großen Arbeiten unter dem mehrdeutigen Titel „Kein Bock“ zeigen vergrößernd die Gänge von Holzwürmern, seine Installation „Linker Winkel“ setzt den geraden Linien der Kirche schiefe gegenüber und sorgt so für spannende Durchblicke und Wirkungen. „Man kann Kunst nur richtig am Original wahrnehmen, gerade bei diesen Arbeiten! Sie beziehen sich auf den Raum“, kommentiert Miro Zahra. Von Nicole Hollatz