Falsche Rücksichtnahme

Zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland gehen selbst dann zur Arbeit, wenn sie krank sind und ins Bett gehören. Das hat die Barmer Krankenkasse herausgefunden. Überraschend dürfte das niemanden: Jeder kennt es, wenn sich ein Kollege oder eine Kollegin mit starken Grippe-Anzeichen durch den Tag schleppt. Oder macht es selbst regelmäßig. Gründe für die scheinbare Selbstaufopferung gibt es viele: Ohne mich geht hier gar nichts, wie sollen das die anderen bloß schaffen, dieses Projekt muss ich unbedingt noch beenden. Diese Denke ist zwar weit verbreitet, aber falsch. Wer sich so verhält, tut niemandem einen Gefallen. Nicht den Kollegen, die sich anstecken können, nicht dem Chef, der sich über schlechte Ergebnisse ärgert und schon gar nicht sich selbst, wenn es nachher Wochen dauert, die verschleppte Erkältung wieder loszuwerden. Der digitale Wandel fördert diese Fehlentwicklung. Niemand bekommt mit, ob Werktätige arbeitsfähig sind, wenn sie allein am Laptop zu Hause hocken. Der grassierende Bewertungswahn und neue Kontrollmöglichkeiten der modernen Arbeitswelt erhöhen den Druck, bloß nicht wegen einer Krankheit auszufallen. Jeder kann selbst entscheiden – und doch lieber zum Arzt gehen. OZ

Viele Beschäftigte gehen krank zur Arbeit - Falsche Rücksichtnahme