Ein inzwischen pensionierter Richter steht in Rostock wegen Rechtsbeugung vor Gericht. Er soll Hunderte Verfahren verjährt haben lassen, um mehr Freizeit zu haben. Er bestreitet den Vorwurf vehement. Nicht er sei schuld an der Misere, sondern das Justizministerium, dass ihn mit Arbeit überschüttet habe.
Welche von beiden Seiten auch Recht haben mag, dieser Prozess wirft kein besonders gutes Licht auf die Justiz in Mecklenburg-Vorpommern. Trifft die Anklage zu, schließt sich die nächste Frage an: Warum hat man den Juristen bloß so lange gewähren lassen? Schließlich stand er vor elf Jahren schon einmal wegen Rechtsbeugung vor Gericht. Damals wurde er zwar freigesprochen, weil er nicht vorsätzlich gehandelt haben soll. Aber schon damals gab der Jurist an, von der vielen Arbeit völlig überfordert zu sein. Trotz dieser ernsten Signale ließ man ihn aber anscheinend ungehindert weiter machen. Gegen ihn spricht, dass er trotzdem noch genug Zeit fand, nebenbei zahlreiche Sachbücher zu veröffentlichen.
Sollte sich allerdings seine Version bestätigen, würde das bedeuten, dass ein Teil des Güstrower Amtsgerichts über Jahre lang praktisch nicht arbeitsfähig war und Kontrollmechanismen erst spät griffen. Der Prozess muss es schaffen, diesen Zwiespalt aufzuklären.
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Gerald Kleine Wördemann