IWarum müssen wir die Inzidenz 35 erreichen? OZ-Leser kritisieren Entscheidung nach Zahlen

In der Pandemie werden politische Entscheidungen oft auf Basis von Rechenmodellen und Zahlen getroffen. Zuletzt hat der Inzidenzwert 35 als Voraussetzung für Lockerungen heftige Debatten ausgelöst. Wohl auch, weil die Politik Lockerungen bislang an den Wert von 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen knüpfte. CDU-Chef Armin Laschet sprach sich in dieser Woche gegen immer neue Inzidenzwerte aus. „Das verunsichert die Menschen und das zerstört Akzeptanz.“ Stattdessen solle bei weiter sinkenden Zahlen über eine Öffnungsstrategie beraten werden. Für einige Leser haben die Aussagen von Laschet einen „bitteren Beigeschmack“, wie es Tom Karsten formuliert. Und trotzdem sagt er: „Er hat schon recht. Aber die Wahlen stehen halt vor der Tür.“ Thomas Aust sieht es genauso: „Was er sagt, stimmt meines Erachtens absolut. Ich vermute bloß, dass hier schon der Wahlkampf die Fäden zieht.“ Reinhard Schmidt meint dazu: „Einer, der eng an Merkels Seite steht und Befürworter der ganzen Angelegenheit ist. Aber er besinnt sich so langsam auf die bevorstehende Bundestagswahl.“ Claudia Weyres fragt: “Was mit den Städten ist, die schon unter dem angestrebten Inzidenzwert liegen. Sollen die ewig mit der Öffnung der Läden und Gastronomie warten, so lange bis ganz Deutschland einen einheitlichen Wert hat?“ Sven von Knoblauch sagt dazu: „Soweit ich die Experten verstehe, soll das jedes Bundesland entscheiden können. Die nächste Bund-Länder-Konferenz am 3. März kommt ja. Ich bin gespannt, was da wieder beschlossen und verändert wird.“ Sven Stötera fügt hinzu: „Man verliert auch echt langsam den Überblick. Ich denke, theoretisch könnten sie öffnen, aber Kiel und Rostock haben beispielsweise Angst vor Shoppingtourismus, da wohl einige Busunternehmen gleich nach der letzten Ministerpräsidentenkonferenz angekündigt haben, entsprechende Reisen (also vom Risikogebiet mit Lockdown zum Shoppen und Schlemmen in ein Nichtrisikogebiet ohne Lockdown oder mit teilweisen Lockerungen) anbieten zu wollen. Daher müsste eine ganze Region unter der 35er-Marke liegen, um so etwas zu unterbinden.“ Lesen Sie auch Rostocks OB Madsen bei Maybrit Illner: „Ich werde weiter auf meine Bürger aufpassen“ Corona-Krise: So wollen zwei Stralsunder ihrem Stamm-Frisör aus der Klemme helfen Lösung für Hiddensee: Mobiles Team soll Senioren auf der Insel impfen „Solange nicht alle geimpft sind, wird sich gar nichts ändern“: Steffen Lumma meint: „War doch klar. Erst hieß es, wenn wir unter 50 kommen, dürfen die Geschäfte wieder öffnen. Jetzt sind wir so weit, dann werden einfach die Zahlen runtergeschraubt und gesagt: ‚Nein, erst wenn wir unter 35 kommen.‘ Wenn wir es unter 35 schaffen, dann heißt es: ‚Nein 25 wäre sicherer‘“, befürchtet Lumma. „Oder wir schaffen es halt gar nicht erst unter 35 durch die neue Virus-Mutante. Aber den Menschen erst mal Hoffnung geben, damit sie die Füße still halten und nicht auf die Straße gehen.“ Stichwort Hoffnung. Manuela Mattig notiert dazu: „Wenn die für die Lockerungen maßgeblichen Inzidenzwerte ständig gesenkt werden, wird das sowieso noch sehr lange dauern. Und dann bleiben viele Geschäfte dauerhaft geschlossen.“ Mit dem Virus leben lernen, so lassen sich die Zeilen von Helga Schulz-Dobberkau zusammenfassen: „Ich glaube, es wird nie so richtig verschwinden, aber doch einzudämmen sein, wie alle anderen Viren in der Vergangenheit auch.“ Anke Wiethaup zeigt sich verärgert: „Es ist doch gar nicht gewollt, dass irgendwelche Zahlen zurückgehen. Und wenn sie zurückgehen, wird was Neues gefunden“, so Wiethaup. Weiter: Die Politik untergrabe „unsere kostbarsten Werte, Gesetze und Rechte. Solange nicht das wirkliche Ziel, nämlich die Komplettimpfung erfolgt ist, wird sich gar nichts ändern.“ Matthias Karotte erinnert: „Dass damals, bevor sich Bund und Länder auf 50 geeinigt haben, Angela Merkel schon maximal 35 forderte, wird gern mal ausgelassen. Die Fachleute wollten damals sogar noch weniger. Insofern war das Nachjustieren überfällig. Wie gut der Lockdown light im November funktioniert hat, haben wir ja gesehen.“ Von Juliane Lange