Nord Stream 2: „Wann hören wir auf, nach der Pfeife der USA zu tanzen?“

Es ist eines der umstrittensten Bauvorhaben, das die internationalen politischen Beziehungen seit Langem belastet: das Milliardenprojekt Nord Stream 2. Auch unter Lesern gibt es kontroverse Einschätzungen. Laut offiziellen Angaben sind es nur noch rund 150 Kilometer, dann könnte die Gaspipeline fertig sein. Die USA versuchen seit Langem, die Fertigstellung der Pipeline mit Sanktionen zu stoppen und drohen auch deutschen Unternehmen. Davon betroffen ist auch der Hafen Sassnitz-Mukran, wo die Pipeline-Segmente gefertigt und gelagert werden. Tatsächlich ernst gemacht hatte die Trump-Administration noch an ihrem letzten Amtstag: So verhängten sie Sanktionen gegen das russische Unternehmen KVT-RUS und erklärten das Schiff „Fortuna“ zu „blockiertem Eigentum“. Welche Konsequenzen die Einstufung als „blockiertes Eigentum“ hat, solange die „Fortuna“ nicht in US-Hoheitsgewässern ist, ist unklar. Das Schiff lag zuletzt tagelang vor Rostock und sollte zu Verlegearbeiten südlich der dänischen Insel Bornholm aufbrechen. Die Amerikaner begründen ihre Ablehnung des Projekts mit zu großer Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas. Pipeline-Befürworter werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen. Auch die von der Landesregierung eingesetzte Stiftung – mit ihr sollen die Sanktionen umgangen werden – erhitzt die Gemüter. Benjamin Schmidt meint dazu: „Wenn ich immer höre, wir machen uns abhängig. Das kann man auch genau andersherum sehen: Wenn Russland Geld verdienen will, dringend Geld aus dem Verkauf von Gas braucht, ist es vom Abnehmer abhängig, also von uns, wie jeder Unternehmer, der von seinen Kunden abhängig ist.“ Michael Friedrich setzt an dieser Stelle folgenden Gedanken hinzu: „Man kann es erst recht andersherum sehen: Die USA hätten es eben gern, dass wir uns von ihnen abhängig machen.“ Friedrich sagt noch: „Im Grunde müsste als Reaktion sofort die Einfuhr von amerikanischem Gas gestoppt werden.“ Und weiter: „Die Russen haben sogar während des Kalten Krieges den Westen zuverlässig mit Gas versorgt. Die brauchen nämlich die Devisen so sehr wie wir das Gas. Aber wer ist das gleich noch mal, der andauernd mit wirtschaftlichen Sanktionen droht und ständig von Handels- und Wirtschaftskriegen spricht?“ Zudem betont der Leser: „Sanktionen sind unter Verbündeten kein friedliches Mittel, sondern schlicht Erpressung.“ Leser setzen ihre Hoffnungen in den neuen US-Präsidenten Joe Biden: Florian Mohler gibt zu bedenken: „Es ist halt auch einfach unfassbar dämlich, sich von russischem Gas abhängig zu machen. Ich kann die Bedenken der USA sehr gut verstehen. Wir sind nicht ohne Grund militärische Verbündete, und solch eine Allianz funktioniert halt nicht, wenn man sich auf allen Ebenen mit dem potenziellen Gegner einlässt. Russland erhält enorme Macht über Westeuropa durch diese Pipeline, und das ist nicht zu begrüßen.“ Ralf Hans A Grae stellt zur Diskussion: „Nord Stream 1 läuft doch schon jahrelang. Warum sollten wir uns jetzt erpressen lassen?“ Luzi Eins hält fest: „Wenn die USA und Polen so stark um die Verhinderung kämpfen, müssen wir doch etwas richtig machen. Ich verstehe die ganze Diskussion nicht. Das dreckige Frackinggas aus Amerika wollen wir nicht, und die Polen sind sauer, dass die Pipeline nicht durch ihr Land gebaut wurde. Deutschland soll das Ganze durchziehen – ohne Wenn und Aber.“ Mehr lesen: Nord Stream 2: Neue Stiftung kann Verlegeschiff „Fortuna“ nicht vor US-Sanktionen schützen US-Sanktionen wegen Nord Stream 2 gegen das in Wismar gestartete Schiff „Fortuna“ erwartet Nord Stream 2: USA machen Drohungen wahr und verhängen Sanktionen Henning von Loewis sieht es so: „Höchste Zeit, den USA die rote Karte zu zeigen und die transatlantischen Beziehungen zumindest einzufrieren.“ Walter Scholz fragt: „Sind wir ein demokratischer Rechtsstaat oder eine Kolonie der USA?“ Und Jürgen Rosenthal stellt noch hinzu: „Wann macht Deutschland endlich ernst und hört auf, nach der Pfeife der USA zu tanzen?“ Paul Mayer zumindest setzt seine Hoffnungen in den neuen US-Präsidenten Joe Biden: „Er ist zwar kein Nord-Stream-Freund, aber halt auch nicht der Sanktionen-Typ. Mal schauen, in welche Richtung es geht.“ Von Juliane Lange