4500 Gäste beim Musikfrühling: Billroth ist Brücke nach Wien

Mit einem erneuten Besucherrekord ist der vierte Festspielfrühling Rügen zu Ende gegangen: Über 4500 Gäste besuchten das Frühjahrsfestival der Festspiele MV. 25 Prozent der Besucher kamen von der Insel, 45 Prozent aus dem übrigen Mecklenburg-Vorpommern und der Rest aus weiteren Bundesländern und dem Ausland. 16 Konzerte, von denen 14 ausverkauft waren, und vier bestens besuchte Vorträge erstreckten sich auf 14 Spielstätten an neun Orten auf Rügen. Und alles drehte sich um Wien. Eine Brücke zu Österreichs Hauptstadt wurde mit Theodor Billroth geschlagen — dem wohl berühmtesten Sohn der Insel. Sein Berufsleben verbrachte er ab 1867 in Wien in enger Freundschaft mit dem Hamburger Johannes Brahms, der seinerseits der Insel tief verbunden war. Hatte er doch fünf Jahre zuvor mit der Komposition seiner ersten Sinfonie begonnen, die er wegen einer Schaffenskrise erst zu vollenden imstande war, nachdem er 1876 zur Zerstreuung den Geburtsort seines Freundes besuchte. Aus dieser Zeit ist sein launiger Satz überliefert: „An den Wissower Klinken ist eine schöne Symphonie hängengeblieben.“ Eine überaus sinnige Entscheidung der Macher des Festspielfrühlings Rügen also, zum Thema „Wien“ ein kleines Kammerkonzert mit Werken von Brahms im ausverkauften Geburtshaus des berühmten Chirurgen stattfinden zu lassen. Erika Geldsetzer und Dirk Mommertz vom Fauré-Quartett spielten unter anderem die Sonate Nr. 1 G-Dur für Violine und Klavier, die Brahms zum Trost für Clara Schumann komponierte, nachdem diese ihr Kind verloren hatte. Vor dem Konzert hielt Prof. Hans-Jürgen Peiper, Autor des Buches „Das Theodor-Billroth-Geburtshaus in Bergen auf Rügen — Ursprung, Lebensweg, Gedenkstätte“, einen Einführungsvortrag. Der 1925 in Frankfurt am Main geborene Chirurg war bis zu seiner Emeritierung Professor für Chirurgie an der Universität Göttingen. „Theodor Billroth steht am Beginn des Zeitalters der modernen Chirurgie. Als einer ihrer großen Pioniere hat er sie auf eine naturwissenschaftlich fundierte Grundlage gestellt“, betonte Peiper. Als Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, zu deren Gründern Theodor Billroth 1872 zählte, habe er sich gefreut, „dass sich im Zuge der Wiedervereinigung die Möglichkeit ergab, das Geburtshaus Theodor Billroths in Bergen auf Rügen zu erwerben“, erinnert sich Peiper. Das Haus wurde von grundauf renoviert und die Gesellschaft richtete ein kleines Museum ein. Christian Albert Theodor Billroth wurde 1829 als Sohn des Pastors Karl Theodor Billroth und dessen Ehefrau Christina Nagel n Bergen geboren. Sein Großvater, Johann Christian Billroth, war Bürgermeister in Greifswald, wo Theodor Medizin studierte, nachdem er zunächst ein Studium der Musik in Betracht gezogen hatte. Nach seinem Wechsel an die chirurgische Lehrkanzel in Wien wurde Billroth Mitglied des Akademischen Gesangsvereins Wien. Zusätzlich zu seinen großen Erfolgen in der Chirurgie war Theodor Billroth auch ein begabter Pianist und Violinist. Wegen seiner Liebe zur Musik und seiner Freundschaft zu Brahms, dem er 700 Briefe sandte, lehnte Billroth mehrere Berufungen ab und blieb zeitlebens in Wien. Brahms sandte umgekehrt seinem Freund gelegentlich neue Kompositionen zur Begutachtung. Das Klavierkonzert in B-Dur von 1882 eignete sich Billroth noch am gleichen Abend an und schrieb Brahms in einem sechsseitigen Brief: „Welch ein herrliches Stück!“ Und zum Opus 11, an dem er sogar einige Korrekturen vorgenommen haben soll, schrieb Billroth: „Ich kann nicht zur Ruhe kommen, ohne Dir, mein lieber Freund, gesagt zu haben, welch‘ glückliche Stunden Du mir heute bereitet hast.“ Im Alter von beinahe 65 Jahren starb Theodor Billroth am 6. Februar 1894 und fand seine letzte Ruhestätte in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof. Uwe Driest

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