90 000 Biberschwänze für das Dach der Dicken Marie

Die Sanierung eines der größten norddeutschen Kirchendächer beginnt. Gestern lud die Kirchengemeinde von St. Marien zum Bauauftakt ein. Pastor Bernd Magedanz verdeutlichte die gewaltigen Dimensionen: Es geht um eine Fläche von 2500 Quadratmetern und um 90000 neue Ziegel. Der Dachstuhl gehöre zu den ältesten im Norden. Laut Messungen mit Hilfe der Dendrochronologie, einer naturwissenschaftlichen Methode zur Altersbestimmung, wurde der älteste der verwendeten Bäume 1328 gefällt. Die vielfach geflickte Konstruktion blieb bis heute erhalten. Die Sanierung sei dringend notwendig, so Ulf Kirmis vom zuständigen Hamburger Architekturbüro Johannsen und Partner. „Wasser konnte eindringen, weil der Mörtel, der bei der Dacheindeckung der 1970er Jahre verwendet wurde, herausfiel“, erläuterte er. Das führte zu Schwammbefall. insbesondere dort, wo die Sparren wegen der notwendigen Länge aus mehreren Einzelstücken zusammengesetzt werden mussten. „Wir haben lange mit der Denkmalpflege über die Dacheindeckung diskutiert“, berichtete Kirmis. „In den 1930er Jahren wurden Biberschwänze aus Lassan verwendet.“ Diese Ziegelform mit ihrem naturroten Farbton, und zwar doppelt verlegt, soll nun künftig das Eindringen von Wasser verhindern. In Vorpommern werden solche Biberschwänze nicht mehr gefertigt, die neuen stammen aus Süddeutschland. Eine Wiederverwendung von vorhandenen Dachziegeln sei teurer als die Verwendung neuer, bedauerte Kirmis. Die Handwerker werden bei ihren Arbeiten Schutzkleidung und Atemmasken tragen müssen, erläuterte der Architekt. Zum Umziehen stehe ihnen ein beheizbarer Container zur Verfügung. „Atemschutz ist notwendig, weil in der DDR das giftige Holzschutzmittel Hylotox verwendet wurde.“ Der Holzstaub sei gesundheitsschädigend. Nach Ende der Arbeiten werde der Dachstuhl komplett gereinigt und der Staub abgesaugt. „Als Hölzer wurden Eiche und Kiefer verwendet“, sagte Kirmis. „Es ist ein buntes Gemisch. Wo nötig, werden wir Eiche durch Eiche und Kiefer durch Kiefer ersetzen.“ Da sehr gute Firmen an der Sanierung beteiligt seien, geht er davon aus, dass die ambitionierte Bauzeit — das Dach soll in diesem Jahr fertig werden — eingehalten wird. Immatrikulation in diesem Jahr in St. Marien? Außer einer Verdunkelung durch das Gerüst und Geräuschen während der Arbeiten gebe es keine Beeinträchtigungen, so Kirmis. Laut Bernd Magedanz wird es wegen der Bauarbeiten im Dom sogar mehr Veranstaltungen in St. Marien geben. Dazu gehörten beispielsweise Konzerte während der Bachwoche. Die Uni habe auch bereits angefragt, ob die feierliche Immatrikulation 2015 in St. Marien und nicht in St. Nikolai stattfinden könne. Weitere Sanierungsschritte bis 2018 sind vorbereitet. Im Dezember 2014 bewilligte das Wirtschaftsministerium 1,5 Millionen Euro Förderung des Programms „Dach und Fach“. Die Sanierung der Ausstattung, so der berühmten Mehmelorgel, die 2016 schon 150 Jahre alt wird, oder ein neuer Fußboden der Annenkapelle werden davon aber nicht erfasst. Nationales Denkmal Die Dachsanierung ist die letzte Maßnahme im Rahmen des seit 2008 laufenden Nationale-Denkmale- Programms. Das Geld geben dabei Bund (er hat für das Dach bisher die Hälfte der Gesamtsumme bewilligt), das Land und die Gemeinde zu je einem Drittel. Diese versucht, ihr Geld auch über Stiftungen zu bekommen. Bürger spenden, der Förderverein sammelt Geld ein, es gibt Benefizkonzerte. Allein der Handarbeitskreis trug über das Stricken von Socken, die verkauft wurden, jährlich rund 1000 Euro bei. Eckhard Oberdörfer

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