Abenteuer hinter dem Regenbogen

Wenn im klassischen Theater das Licht aus geht wird es spannend. Im Dunkel fokussiert sich die ganze Aufmerksamkeit auf einen Kern, die Bühne. Das Orchester davor kann sich auf ausgefeilte Akustik verlassen. Open-Air ist anders. Das zeigt sich auch am Freitagabend im Ribnitzer Hafen. Die Bühne weitet sich, das glitzernde Wasser des Boddens und die schwankenden Masten der Seegelboote verschmelzen mit dem Bühnenbild zur ganz großen Kulisse. Draußen bleibt es lange hell, mit etwas Glück spielt der Sonnenuntergang mit und der echte Himmel schickt eine frische Brise ins Publikum. Das trägt statt Samt und Sakko Decke und Regenjacke, um sich mit der kleinen Dorothy aus Kansas auf die traumhaft abenteuerliche Reise mit dem Wirbelwind über den Regenbogen in die Smaragdenstadt des Zauberers von Oz zu machen. Unterwegs besiegt Dorothy herrlich böse, aber wasserlösliche Hexen, befreit „Munchkins“, begegnet kleinen bunten und großen schwarzen Vögeln, lernt, mit ihrem Hund Toto zu sprechen. Sie lernt ihre wahren Freunde als Vogelscheuche, Blechmann und Löwe einmal von einer ganz anderen Seite kennen, bis ihr ein schlechter Zauberer, aber guter Schwindler, den Weg zurück nach Kansas weist, wo sich inzwischen auch dank des beherzten Eingreifens des Quartetts mit Hund einiges zum Besseren gewendet hat. Mit Phantasie, Witz und Liebe hat das Theater Vorpommern am Freitagabend beim Hafenfestival in Ribnitz den Stoff effektvoll inszeniert und erhält Szenenapplaus. Es ist ein Musical von Harold Arlen und E.Y. Harburg, nach dem Roman von Lyman Frank Baum, Deutsch von Klaus Eidam. Für Musiktheater-Puristen ebenso gewöhnungsbedürftig wie die Naturbeleuchtung scheint der Sound des Orchesters, das die Sänger auf der Bühne aus einem Zelt nebenan begleitet. Toll, dass hier überhaupt noch ein Orchester spielt, erkennt der Fachmann an, das sei längst nicht mehr auf allen Open-Air-Veranstaltungen der Fall. Und spätestens hier ist er sich mit Familie Stövsand aus Velbert einig. Die findet das ganze „Ambiente am Bodden cool. Insgesamt ein grandioser Eindruck“, wirft Marc Stövsand (35) einen erklärenden Blick über das Wasser und ist sich mit seiner Frau Wiebke (35) einig: „Wahnsinn, ein Live-Orchester!“ Die Stövsands sind in der Region geboren und der Arbeit wegen nach Velbert (nahe Düsseldorf) gezogen. Nun machen sie regelmäßig „Heimaturlaub“ in der Region. Zum ersten Mal besuchen sie gemeinsam mit ihrer Tochter Freija (6), die Theater liebt, ein Musical. Die Mama ist begeistert von der Inszenierung: „Genial umgesetzt, ich habe viel gelacht.“ Marc, bisher nicht der ganz große Musical-Fan, ist mindestens angenehm überrascht und sieht über den Bühnenrand hinaus: „Ich finde super, was hier passiert, Tourismus und Kultur zu verbinden, großartig.“ Und Freija, die sich mit den Hexen nicht anfreunden konnte, johlt beim Finale und strahlt: „Ich fühle mich wie mittendrin im Theater!“ Das liegt nicht nur daran, dass die Künstler nicht nur auf, sondern auch vor der Bühne und sogar mittendrin im Publikum agieren. Susanne Retzlaff

Ribnitz-Damgarten - Abenteuer hinter dem Regenbogen