Auf der Bühne spielt er am liebsten den Bösewicht

Zinnowitz — Am liebsten spielt er den Bösewicht. Mehr als 100 Rollen verkörperte Heiko Gülland (49) bislang — zurzeit spielt der Mann aus Groß Bünzow im Heringsdorfer Theaterzelt „Chapeau Rouge“ die querschnittsgelähmte Hauptfigur in „Ziemlich beste Freunde“. Gülland ist einer der wenigen fest angestellten Schauspieler der Vorpommerschen Landesbühne. Er wurde in Celle geboren, studierte in Frankfurt am Main Schauspiel und ließ sich zum Sprecherzieher ausbilden. Mit der OSTSEE-ZEITUNG spricht er über die Schwierigkeiten, einen gelähmten Mann zu spielen, seine Familie und die Zukunft der Theaterlandschaft in Mecklenburg-Vorpommern. OSTSEE-ZEITUNG: Wie haben Sie sich auf die Rolle des querschnittsgelähmten Philippe vorbereitet? Heiko Gülland: Es ist anspruchsvoll, eine Figur zu spielen, die vom Hals an abwärts gelähmt ist. Als Schauspieler drückt man sich ja auch stark über den Körper aus. Das funktioniert bei Philippe nicht. Ich muss mich extrem konzentrieren und meinen Körper ausschalten. Da das Stück und auch der Film „Ziemlich beste Freunde“ auf der wahren Lebensgeschichte von Philippe Pozzo di Borgo beruht, habe ich zur Vorbereitung seine Biografie gelesen. Sie ist sehr einfühlsam geschrieben. Aber die Schmerzen dieses Mannes kann ich zum Glück nicht nachempfinden, da habe ich mich dann auf meine Fantasie verlassen. OZ: Sie mussten auch lernen, den modernen Rollstuhl mit Ihrem Kinn am Joystick zu steuern. Sind Sie dabei auch mal gegen eine Kulisse oder einen Kollegen gefahren? Gülland: (lacht) Natürlich. Zum Glück allerdings nur gegen die Kulissen und das auch nur hinter der Bühne. Der Rollstuhl ist sehr sensibel und besonders das Rückwärtsfahren ist schwierig. Außerdem muss ich gegen ganz natürliche Impulse ansteuern. Wenn ich eine Kurve fahre, darf ich die Bewegung natürlich nicht mit meinem Körper ausgleichen. Und eben mal den Schweiß von der Stirn wischen oder an der Nase kratzen, geht auch nicht. Das ist bei anderen Rollen anders. OZ: Ist Philippe die anspruchsvollste Rolle, die sie je gespielt haben? Gülland: Sie ist einer der anspruchsvollsten. Ich hab bis jetzt mehr als 100 Rollen verkörpert und mag es sehr, wenn eine große Körperlichkeit gefragt ist. OZ: Zum Beispiel? Haben Sie eine Lieblingsfigur? Gülland: Ich spiele grundsätzlich gern den bösen Part und nicht den Helden. Bösewichte werden vom Publikum nicht unbedingt gemocht, werden aber verlangt. Ich habe beispielsweise den Profikiller in „Die Nervensäge“ gern gespielt. Der bekommt Krämpfe, nimmt Amphetamine und ist ein sehr extremer Charakter. Das macht mir Spaß beim Spielen. OZ: Wollten Sie schon als Kind Schauspieler werden? Gülland: Ja, es war immer mein Traumberuf. Ich war oft mit meinen Eltern im Theater — als Zuschauer. Ich komme aus einer Familie von Akademikern. Sie haben mich aber immer dabei unterstützt, meinen Traum zu verwirklichen. Ihre einzige Bedingung war, dass ich das Abitur mache. Dafür bin ich ihnen sehr dankbar. OZ: Würden Sie einem jungen Menschen heutzutage raten, den Beruf Schauspieler zu ergreifen? Gülland: Eher nicht. Es ist ein schwieriger Beruf und ich vermute, dass wir in 20 Jahren gerade im ländlichen Raum keine Theaterlandschaft mehr besitzen werden. Was unser Wolfgang Bordel hier auf die Beine stellt, ist außergewöhnlich. Ich habe noch nie einen Intendanten kennengelernt, der so für sein Theater lebt. OZ: Wie sehen Sie die Zukunft des Theaters denn? Gülland: Es wird dann wohl nur noch große Theater, in großen Städten geben, die von Sponsoren am Leben gehalten werden. Das ist traurig, denn ohne Bildung und Kultur wird die Bevölkerung verrohen. Und trotzdem: Mein 14-jähriger Sohn möchte auch Schauspieler werden und ich werde ihn dabei unterstützen, denn ich kann verstehen, dass er für den Beruf brennt. OZ: Sie stehen zurzeit drei bis sieben Mal pro Woche auf der Bühne und spielen in drei verschiedenen Stücken. Wie schalten Sie ab? Gülland: Beim Spazierengehen mit meinem Hund und beim Nordic Walking im Wald. Interview: Carolin Riemer Programm im „Chapeau Rouge“ (Auszug) Heute: 10.15 Uhr „Hase und Igel“, Schelmengeschichten 19.30 Uhr „Die Heirat“, Komödie Donnerstag, 6. August: „Leben bis Männer — oder: Der Fußballtrainer“, Monolog von Thomas Brussig Freitag, 7. August: 10.15 Uhr „Hänsel und Gretel“, Musical 19.30 Uhr „Ziemlich beste Freunde“ Komödie Sonnabend, 8. August: 19.30 Uhr „So wahr uns Spott helfe“, Kabarett OZ

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