Auszeichnung für Bergens große Stimmen

Sie leisten Großartiges, liefern musikalisch hohe Qualität und viele Rüganer wissen das gar nicht: Für ihr Wirken, findet Frieder Jelen, hätte der Kantorei Sankt Marien in Bergen der Kulturpreis der Insel eigentlich schon lange gebührt. Der Theologe und frühere Politiker durfte den Mitgliedern des Ensembles nun endlich gratulieren — zwar nicht zum Kultur-, aber immerhin zum Förderpreis 2015 der Kulturstiftung Rügen. Eine Kantorei geht über das, was man sich unter einem einfachen Kirchenchor vorstellt, hinaus. Nicht nur zahlenmäßig — zu den Proben der Kantorei kommen neben den Stammmitgliedern des Kirchenchors noch zahlreiche andere Sänger, zum Teil auch vom Festland — , sondern auch vom Anspruch. „Für die Werke, mit denen wir uns in der Kantorei beschäftigen, braucht man ein größeres Ensemble“, sagt der Rügener Kreiskantor Frank Thomas aus Bergen. Die Kantorei ist für ihn deshalb auch die gesamte chormusikalische Arbeit, die von der Bergener Kirchengemeinde ausgeht. Und sie hat in der Region mittlerweile einen guten Ruf. Die Bergener Kantorei hat zum ersten Mal die musikalisch anspruchsvolle Johannespassion in der Marienkirche aufgeführt, und zwar in Zusammenarbeit mit einem Orchester aus Studierenden und Absolventen der Hochschule für Musik und Theater Rostock. Zum Jubiläum der Stadt Bergen präsentierten die Sänger im August 2012 gemeinsam mit der Europaphilharmonie aus Danzig „Die Schöpfung“ von Joseph Haydn. Mit dem Prager Sinfonieorchester Bohemia studierten sie Händels „Dettinger Te Deum“ für fünfstimmigen Chor ein und führten mit der Kantorei Wolgast und dem erweiterten Preußischen Kammerorchester Prenzlau Puccinis „Gloriamesse“ auf. Großartige Musik war auch früher schon in Bergen zu Hause, weiß Frank Thomas. „Die Stadt hat eine Chortradition“, sagt er. Im 19. Jahrhundert seien die Kantoren aus vielen anderen Orten der Region, wie etwa Demmin, nach Bergen gekommen, um „moderne Musik“ zu erleben. So etwas lasse sich nicht von heute auf morgen herbeizaubern. „Kantoreiarbeit muss langfristig angelegt werden.“ Als Frank Thomas 2001 als Kantor nach Bergen kam, fing er mit diesem Aufbau praktisch ganz von vorn an. Ein Großteil der früheren Choristen hatte sich aus den verschiedenen Gründen verabschiedet. Geblieben waren etwa ein Dutzend Sänger. „Wir haben mit einfachen Sachen angefangen und uns dann immer weiter gesteigert.“ Für besonders anstrengende Stücke braucht auch ein guter Chor Jahre. „Bei schweren Sachen verliert man schnell die Lust“, sagt Thomas, der seine Mitstreiter dennoch zu motivieren weiß. „Singen bei ihm macht Spaß“, lobte Frieder Jelen den Kantor in seiner Laudatio in der Putbusser Orangerie. Er gehe freundschaftlich mit den Sängern um. Anders gehe es auch nicht, findet Frank Thomas. „Es ist trotz aller Qualität ein Laien- und kein Konzertchor.“ Die Mitglieder kämen von ihrer anstrengenden Arbeit zur Probe und wollten nicht nur ernst und verbissen „trainieren“, sondern Spaß am Singen haben und lachen. Deshalb gehören auch jazzige Titel zum Repertoire. „Das bringt immer eine gewisse Lockerheit rein.“ Dass das funktioniert, davon können sich Musikfreunde unter anderem beim 14. Rügener Chortreffen überzeugen lassen. Maik Trettin

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