Bravo-Rufe für Miss Sophie und Ekel Alfred

Laura Hollunder ist die Erste. Zweieinhalb Stunden vor der Premiere trifft sie an Silvester im Barther Theater ein. Auf der Bühne wird sie das Publikum nicht erleben. Laura Hollunder wirkt hinter den Kulissen. Als Inspizientin hat sie dafür zu sorgen, dass das Zusammenspiel aller Bühnengewerke reibungslos klappt. Prüfend begutachtet sie zunächst die Requisiten. Steht alles am vorgesehenen Platz, um während der Vorstellung griffbereit zu sein? Laura Hollunder rückt die Trinkbecher für den Sketch „Dinner for One“ noch etwas beiseite, damit sie später nicht versehentlich vom Tisch gerissen werden. Das Scheppern wäre bis ins Publikum zu hören. Es ist dunkel im Bühnengang, und kühl. Laura Hollunder ist dennoch nur sommerlich gekleidet. Ihr wird nicht kalt — ständig ist sie in Bewegung. Jetzt wird ihre Hilfe in der Maske gebraucht. Die ersten Darsteller sind eingetroffen. Jeder hilft jedem beim Schminken oder schminkt sich selbst. Michelle Graf braucht Locken für ihre erste Rolle. Laura Hollunder legt ihr diese mit einem Lockenstab. Schon nach kurzer Zeit sitzen oder stehen sie zu sechst vor dem Spiegel. Und dennoch: Es wird kaum gesprochen. Jeder konzentriert sich auf seine Rolle, ist aufgeregt. Laura Holunder ist ebenfalls angespannt. „Gerade vor einer Premiere“, verrät sie. Daniel Selig prüft die Bühnenaufbauten. Danach zieht sich der Techniker nach oben in seinen kleinen Raum hinter das Licht- und Tonpult zurück. „Licht und Ton sind computergesteuert“, erklärt der 29-Jährige. Eine Woche lang hat Daniel Selig den Rechner programmiert. Eigentlich bräuchte er nur noch das Programm zu starten. Doch immer wieder mal muss er auch von Hand regeln, und vor allem ständig die Bühne im Auge und Ohr haben. „Den Vorhang bitte schließen und alle Darsteller nach hinten!“, ordnet Regisseur Martin Schneider an. Der Einlass beginnt. Während die ersten Besucher ihre Plätze einnehmen oder sich nach einem Gläschen Sekt anstellen, herrscht in der Maske noch Hochbetrieb. Das Lampenfieber — es wird von Minute zu Minute größer. „Wie weit seit ihr?“, fragt Martin Schneider. Über ein Headset ist er mit Laura Hollunder verbunden. Kurz darauf schaut Martin Schneider in der Maske vorbei. Der Theatermann spuckt jedem Darsteller über die Schulter und wünscht: „Toi, toi, toi!“ Ein Ritual, das vor jeder Premiere gepflegt wird. Es soll Glück bringen. „Dankeschön zu sagen, ist dabei verboten“, erklärt Martin Schneider. „Gebt euer Bestes, ihr könnt es. Habt Spaß, die Leute wollen euch sehen“, versucht der Regisseur die Darsteller zu motivieren. „Daniel, wie sieht‘s bei dir aus? Wir wären so weit“, gibt Laura Hollunder über ihr Headset Bescheid. In zwei Minuten beginnt die Vorstellung. Der Zuschauerraum ist voll. „Das Schachspiel“ eröffnet das 90-minütige Programm. Über einen Bildschirm verfolgt Laura Hollunder das Geschehen auf der Bühne. Im Textbuch liest sie den Dialog mit, um bei einem Aussetzer Hilfe zu geben. Nicht nötig. Antje Möller als Frau Preil und Jette Claasen als Frau Herricht beherrschen den Text. Drei Kult-Sketche aus 60 Jahren Fernsehgeschichte folgen: „In der Apotheke“, „Alles mit G“, „Oma Wanda und Opa Friedrich“. Dann öffnet Laura Hollunder den Vorhang mit einer Handkurbel das letzte Mal vor der Pause — für ein Stück, auf das sich viele Besucher besonders freuen. Erik Gätjen als Ekel Alfred und Jette Claasen als Else Tetzlaff haben in „Der Silvesterpunsch“ die Lacher voll auf ihrer Seite. Sie spielen ihre Rollen perfekt und gehen darin auf. Das Publikum hat bis in die letzte Reihe seinen Spaß und honoriert diesen Sketch aus der TV-Serie „Ein Herz und eine Seele“ mit lang anhaltendem Applaus. Auch Martin Schneider ist begeistert. „Ihr macht die Sache gut“, lobt der Regisseur, als er in der Pause zu den Darstellern kommt. Der Höhepunkt des Programms folgt erst noch. Nach „Hypnose“, „Palim Palim“ und „Die Richterszene“ setzt das Barther Amateurensemble den Schlusspunkt — mit dem König der Sketche. Noch einmal verkörpern Helga Wienhöfer und Erik Gätjen eine Glanzrolle — als Miss Sophie und Butler James in „Dinner for One“. Mit stehenden Ovationen und Bravo-Rufen feiert das Publikum die Premiere des „Knall auf Fall“-Programms. Die schönste Belohnung für die Akteure vor und hinter den Kulissen. Erleichtert fallen sie sich hinter der Bühne um den Hals — und sind einfach nur glücklich. Und die Anspannung der letzten Stunden — sie ist auf einmal verflogen. Zwei Mal kann noch gelacht werden 9 Sketche aus 60 Jahren Fernsehgeschichte zeigt das Barther Theater in seinem Programm „Knall auf Fall“. Es spielen: „Das Schachspiel“: Antje Möller, Jette Claasen; „In der Apotheke“: Erik Gätjen, Gabriele Ulbricht; „Alles mit G“: Michelle Brand, Georg Reckzeh, Erik Gätjen; „Oma Wanda und Opa Friedrich“: Helga Wienhöfer, Frank Burger; „Der Silvesterpunsch“: Erik Gätjen, Jette Claasen, Michelle Brand, Georg Reckzeh; „Hypnose“: Antje Möller, Jette Claasen; „Palim Palim“: Michelle Brand, Georg Reckzeh; „Die Richterszene“: Gabriele Ulbricht, Frank Burger; „Dinner for One“: Helga Wienhöfer, Erik Gätjen. Weitere Vorstellungen: 23. Januar, 19.30 Uhr; 6. Februar, 19.30 Uhr Karten: ☎ 03971/208925 Detlef Lübcke

Barth - Bravo-Rufe für Miss Sophie und Ekel Alfred