Bücher zum Feierabend im Café

Für Buchhändlerin Uta Reichel ist „Lesen wie atmen“. Und jedes Mal, wenn sie ein Buch zuklappt, denkt sie, es kann kein schöneres kommen. „Und jedes Mal werde ich wieder überrascht“, ist Uta Reichel dankbar. Berufsbedingt liest die 49-Jährige drei bis vier Bücher pro Woche. Was sie dabei „nicht sofort anspricht, wird an den Verlag zurück geschickt“, Nur so schafft sie es, „die Perlen aus dem Riesenangebot auf dem Büchermarkt“ herauszufinden. „Schließlich gibt es neben den Bestsellerlisten noch die alternativen Bestsellerlisten“, stellt Uta Reichel verschmitzt fest und verlässt sich bei der Auswahl ihrer Kinder- und Jugendliteratur sowie Belletristik auf die Besuche auf der Leipziger Buchmesse, die kleinen Verlage und ihre Intuition. Seit Kindesbeinen sind Bücher ihre ganz große Leidenschaft. Neben Karl May „verschlingt“ sie bereits als junges Mädchen Tolstoi, Gorki, Dostojewski oder Strittmatter. „Bis heute interessiere ich mich auch sehr für die jüdische Kultur, das ist ein ganz großes Thema“, erzählt die sympathische, blond gelockte Stralsunderin weiter. Der innig gehegte Berufswunsch, zu DDR-Zeiten Buchhändlerin oder Bibliothekarin zu werden, blieb ihr allerdings verwehrt: Die einzige Lehrstelle im ehemaligen Bezirk Rostock blieb der Tochter eines SED-Funktionärs vorbehalten. Nach ihrer Ausbildung zur Krankenschwester und Zwischenstationen als erste kirchliche Stralsunder Gemeindeschwester und Sozialpädagogin für schwer erziehbare Mädchen im tiefsten Bayern kam ihre inzwischen vierköpfige Familie 1993 an den Sund zurück. „Das Meer hat uns gefehlt. Wir mussten einfach zurück.“ Nach Kind Nummer drei stieg sie mit Mitte 30 schließlich mit einem kleinen, aber feinen Literaturangebot bei ihrem Mann, Keramiker Frank-Peter Reichel, ein. Als „Gemeinschaftspraxis keramik plus buch“ sind sie in ihrem kleinen Lädchen in der Fährstraße 27 nicht nur ein unheimlich nettes Team, sondern leben beide ganz bewusst ihre eigenen Träume. „Einer meiner Träume war es immer, die Literatur einem noch größeren Interessentenkreis zugänglich zu machen, noch mehr Menschen für Bücher zu begeistern und Lust auf Mehr-Lesen machen“, verrät sie. Buchlesungen in der Stadtbibliothek und dem „Literarischen Menü“ im Café Damaschke folgte im April dieses Jahres schließlich die Premiere der „Feierabendliteratur“ im Café „Hühnergott“. „Das sind eineinhalb Stunden nonstop Literatur“, sagt sie zum Konzept. Zwanglos werden dabei Buch-Neuheiten des vergangenen halben Jahres vorgestellt und angelesen — mit der ihr eigenen Leidenschaft und selbstverständlich ohne dabei jemals das Happy-End zu verraten. Etwa 15 Bücher werden es bei der Neuauflage der „Feierabendliteratur“ morgen um 19.30 Uhr sein. Mit dabei in jedem Fall solche „Fetzer“ wie „Herr Klee und Herr Feld“ von Michel Bergmann, „Der Leichendieb“ von Patricia Melo oder „Keine Experimente“ von Markus Feldenkirchen — „alles Bücher, die vor lauter Spannung, Witz oder Leidenschaft durchaus auch atemlos machen können.“ Feierabendliteratur: Café „Hühnergott“ im Rathausdurchgang, Freitag, 19.30 Uhr, Lesung mit Uta Reichel. Suse Senneke

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