Cecilia Bartoli singt Arien eines Stralsunders

Die Mezzosopranistin Cecilia Bartoli ist gegenwärtig der Superstar in der klassischen Musikszene. Gegen Ende des vergangenen Jahres erschien ein neues Album der bestbezahlten Sängerin, das von der Kritik begeistert aufgenommen wurde. Cecilia Bartoli holte mit der neuen CD zehn Arien längst vergessener russischer Hofkomponisten des 18. Jahrhunderts wieder ans Tageslicht. Hermann Friedrich Raupach hieß einer dieser Komponisten am Hof in St. Petersburg. Man glaubt es kaum, aber dieser Hermann Friedrich Raupach erblickte in Stralsund das Licht der Welt. Darauf hat die Stralsunder Künstlerin Roswitha Buchholz hingewiesen. Hermann Friedrich Raupach wurde im Jahre 1728 als Sohn des Organisten Christoph Raupach in Stralsund im heutigen Pfarrhaus von St. Nikolai geboren. Ein genaues Datum ist nicht überliefert. Die Taufe erhielt er am 22. Dezember 1728 in der Nikolaikirche. Vater Christoph Raupach, der schon in jungen Jahren in Musikerkreisen einen sehr guten Ruf genoss und mit Bach und Händel freundschaftliche Beziehungen pflegte, vervollkommnete seine Fähigkeiten im Orgelspiel und Komponieren bei Georg Bronner in Hamburg, Organist an der dortigen Heilgeistkirche, Opernkomponist und späterer Direktor der Hamburger Oper. Christoph Raupach war erst 17 Jahre alt, als er sich um die Stelle des Organisten der Stralsunder Nikolaikirche bewarb. Nach einem Probespiel, mit dem der junge Organist alle weiteren Bewerber aus dem Felde schlug, erhielt er am 1. Mai 1703 seine schriftliche Bestallung für das Organistenamt an der St. Nikolai-Hauptkirche. Danach reiste er nach Tondern. Er hielt in Rostock an und versprach „Herrn Babst und seiner Frau Liebste“ aus Dankbarkeit „für geleisteten Beistand in Erlangung des Dienstes“ in Stralsund, die älteste Tochter zu ehelichen. Nach vierjähriger Verlobungszeit fand die Hochzeit am 28. Juli 1707 in Rostock statt. Aus der zu jeder Zeit glücklichen Ehe gingen vierzehn Kinder hervor. Durch die Vielzahl der Kinder lebte die Familie ständig am Existenzminimum. Im Stadtarchiv sind eine Anzahl Gesuche überliefert, in denen der Organist Christoph Raupach die Vorsteher der Kirche um eine Erhöhung seines Gehalts bat, ansonsten müsste seine ganze Familie „wahrhafftig crepieren“. Der Organist von St. Nikolai besaß das alleinige Recht, auf Hochzeiten zu spielen und dafür einen entsprechenden Lohn einzuziehen. Sehr oft blieb der Lohn für diese Dienste aus, oder, was auch vorkam, die Brautleute ließen einen einfachen Musikanten zum Tanz aufspielen. Trotz Kanonendonner des Nordischen Krieges und Hungersnot komponierte Christoph Raupach eifrig. Als König Stanislaus von Polen im Jahre 1710 die Hansestadt Stralsund besuchte, versäumte er nicht, dem schon sehr bekannten Komponisten einen Besuch abzustatten. Dieser hatte natürlich für den hohen Besuch eine Kantate komponiert. Christoph Raupach verstarb in Stralsund am 19. April 1758, seine Ehefrau hatte bereits 1733 das Zeitliche gesegnet. Hermann Friedrich Raupach war nicht der Erstgeborene der Familie. Das war Gerhard Christoph Raupach, der am 12. September 1708 geboren wurde, in die Fußstapfen des Vaters trat und als Organist an der hiesigen Marienkirche wirkte. Hermann Friedrich kam als zwölftes Kind auf die Welt. Er interessierte sich aber auch sehr früh für die Musik und ging wie sein Bruder bei seinem Vater in die Lehre. Wahrscheinlich hat er das hiesige Gymnasium, das sich seit 1560 in einem Teil des einstigen Dominikanerklosters befand, besucht. Für ihn war aber kein Platz in Stralsund, und so verließ er im Jahre 1755 seine Geburtsstadt gen St. Petersburg, wo er stellvertretender Cembalist im Hoforchester der Italienischen Gesellschaft wurde. Ab 1758 versah er den Posten des Kapellmeisters und Hofkomponisten am Zarenhof. In dieser Zeit schrieb er mit „Alceste“ seine erste Oper, zwei Jahre später folgten die italienische Oper „Siroe“ und zusammen mit Joseph Starzer, einem berühmten Wiener Ballettkomponisten, das Ballett „Die Zuflucht der Tugend“. Als im Jahre 1762 Zar Peter III. an die Macht kam, musste er zusammen mit vielen Künstlern St. Petersburg verlassen. Er ließ sich in Paris nieder, komponierte und spielte zusammen mit Mozart. Übrigens liegen vielen Kompositionen Mozarts Motive von Hermann Friedrich Raupach zugrunde. Nach der Ermordung von Peter III. rief ihn die Zarin Katharina 1768 an den Petersburger Hof zurück, wo er 1777 zweiter Kapellmeister wurde. Daneben übte er das Amt des Direktors der musikalischen Abteilung an der Akademie der Schönen Künste aus. Neben Balletten komponierte er noch eine komische Oper, die sehr erfolgreich aufgeführt wurde. Hermann Friedrich Raupach verstarb am 22. Dezember 1778 in St. Petersburg. Andreas Neumerkel

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