DDR-Hardrock-Legende zieht sogar Dortmunder auf die Insel

Würde der 70-jährige Altrocker Mick Jagger von den Rolling Stones den Berluc-Schlagzeuger Dietmar Ränker kennen, hätte er ihn für die älteste noch live spielende Band der Welt vermutlich vom Fleck weg für einen Gastauftritt engagiert: Fit wie ein Turnschuh haut der Drummer und Berluc-Bandleader mit seinen 75 Lenzen nämlich wie eh und je kräftig auf die Pauke — davon konnten sich die vielen Fans von der Insel Rügen der ostdeutschen Hardrock-Band zum Abschluss des Sassnitzer Hafenfestes überzeugen. Mit „Hallo Erde, hier ist Alpha“, „No Bomb“, „Hunderttausend Urgewalten“ oder „Bernsteinlegende“ spielten sich die „Rocker von der Küste“, wie sie auch genannt werden, einst in die Herzen ihrer Jünger in Ost und auch in West. Aus dem tiefsten Ruhrpott reiste der Dortmunder Udo Groll extra an die Ostseeküste, um Berluc zum zweiten Mal live zu erleben. „Ich habe gerade Urlaub und wollte mal wieder in Erinnerungen schwelgen“, sagt der 52-jährige Bühnentechniker, der die Theaterferien in NRW nutzte, um einen Spontan-Trip auf Deutschlands größte Insel zu unternehmen. „Durch meine Cousins in der DDR bin ich mit dem Ost-Rock schon lange vertraut, und Berluc zählt für mich bis heute zu den authentischsten Bands“, erzählt der Dortmunder. Bei der ersten Hanse-Sail nach der Wende hatte Udo Groll die Küstenrocker erstmals live erlebt und ist seitdem ein großer Berluc-Fan. Berluc-Chef Dietmar Ränker hatte rein zufällig mitbekommen, dass ein westdeutscher Fan im Publikum ist und schenkte dem Dortmunder kurz vor Konzertbeginn — unter stürmischem Applaus — sowohl eine DVD als auch eine CD mit Liveaufnahmen der Band. Im OZ-Exklusiv-Interview ließ Dietmar Ränker noch einmal die Band-Geschichte kurz Revue passieren. „Wir haben uns 1975 gegründet und bis zum Putsch 1989 durchgespielt — danach gab es eine kurze Kreativ-Pause“ , erzählt der 75-jährige und erklärt noch einmal, wie der Bandname entstanden ist. Die damaligen Musiker kamen aus Berlin und Luckenwalde — diese beiden Ortsnamen Ber(lin) und Luc(kenwalde) wurden in Kurzform zu Berluc mit einander verschmolzen. Später zogen die Musiker nach Rostock und waren seitdem die „Rocker von der Küste“. Beim Publikum wurden Jugenderinnerungen wach. „Für mich ist der Berluc-Hit über die 100 000 Urgewalten bis heute ein starker Song“, sagte Annette Schindler (51) aus dem thüringischen Meiningen. Gemeinsam mit ihrem Mann Frank (52), der noch Berluc-Platten im heimischen Schrank hat, genoss das Urlauber-Ehepaar den Konzertabend. Für die gebürtige Leipzigerin Manuela Demirtas ist „Hallo Erde, hier ist Alpha“ der Nummer-Eins-Hit von Berluc. „Ich habe die Jungs schon einmal vor zwei Jahren live auf der Bühne erlebt und finde, dass sie es immer noch drauf haben“, schwärmte die 40-jährige. Ein Blick in die Historie von Berluc Berluc veröffentlichten mit „Reise zu den Sternen“ 1979 eines der bis dato härtesten Alben einer DDR-Band. Spätestens mit „Hunderttausend Urgewalten“ hatte sich die Gruppe um Dietmar Ränker einen festen Platz in der ostdeutschen Metal-Szene erspielt. Ausreiseanträge mehrerer Bandmitglieder erschütterten immer wieder das Gruppen-Gefüge und sorgten für ein reges Kommen und Gehen. Bis zur Wende verschlissen Berluc zahlreiche Gitarristen. Am schmerzlichsten war für die Fans Mitte der 80er der Ausstieg von Sänger Manfred Kähler, der heute bei Kühlungsborn lebt. Nach der Wende etablierte sich Mitte der 90er Jahre eine recht stabile Besetzung. LPs wurden nicht mehr eingespielt. Live ist die Band weiter präsent. Christian Rödel

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