„Das letzte Bild ist noch nicht im Kasten“

Was ist es, was ihn an der Fotografie so fasziniert? Für Harry Hardenberg gibt es darauf nur eine Antwort: „Fotografie hat mein Leben verändert. Und wenn du dich für eine Sache entschieden hast, dann wirst du sie nicht mehr los.“ Die Entscheidung fiel mit 21. Gelernt hatte er Maler. Doch nach den ersten Experimenten mit einer Pouva Start, einer einfachen Kamera für Rollfilme, hatte Harry Hardenberg Blut geleckt. Dass er sich innerhalb der nächsten sechs Jahrzehnte einen Namen in der Branche erobern und „ein Zeitporträt Stralsunds“ schaffen würde, wie der Historiker Hans-Joachim Hacker sagt, hatte er damals sicher nicht geahnt. „Es hat sich so ergeben“, sagt Harry Hardenberg heute. Aber dass es sich so ergab, dafür sind zwei Dinge wichtig gewesen. Zum einen hat er immer selbstbewusst an sich geglaubt und auch die nötige Energie aufgebracht. Zum anderen hat er Leute getroffen, die ihn förderten. Nur so sei es ihm gelungen, dass er zum Beispiel mit seiner „kühnen Bewerbung“ an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig angenommen wurde. Später sei er dann oft zur rechten Zeit am rechten Ort gewesen. Doch das allein genüge nicht. „Man muss das Bild auch sehen.“ Genau so entstand wohl eines seiner preisgekrönten Werke: Die Auszeichnung. Ein Bild, das in der IX. Kunstausstellung der DDR 1982 in Dresden gezeigt, für das Marx-Engels-Forum Berlin 1986 in Stahl gebrannt und nach der Wende auch vom „Stern“ gedruckt wurde. Am 15. Juni 1978 feierte die Stralsunder Volkswerft ihren 30. Geburtstag mit Urkundenübergabe an verdienstvolle Werktätige. „Da ich zu der Zeit als Bildjournalist arbeitete, fuhr ich auf die Werft, um für die aktuelle Berichterstattung das obligatorische Auszeichnungsfoto zu machen. Doch während der phrasenhaften Ansprachen der Funktionäre stieg ich in der Schiffbauhalle auf ein Gerüst. Da sah ich mein Bild.“ Gedruckt wurde dieses Foto zunächst nicht. „Dafür war im provinziellen Denken einiger Redakteure damals kein Platz“, denn das Bild habe nicht das übliche Händeschütteln gezeigt, und die „leicht sakrale Stimmung“ habe nicht zum sozialistischen Realismus gepasst. Seinen Weg in die Öffentlichkeit fand dieses Foto 1979 in Köln. Keine Kompromisse geht Hardenberg — der Autor von 30 Büchern ist — bei der Qualität ein. „Entweder du machst es richtig oder gar nicht“, bleibt sein Leitsatz. In seiner Laufbahn habe er über die Jahre eine Menge Wissen angehäuft. Dies versuche er bis heute anzuwenden. Immer unter dem Motto „Dinge, die Spaß machen, fallen nicht schwer“. Auf diese Weise füllt sich sein Archiv Tag für Tag weiter mit Aufnahmen, die einen „Blick fürs Motiv, fürs Detail“ zeigen. Das ist es zum Beispiel, was den Autoren-Kollegen und OZ-Redakteur Eckhard Oberdörfer, mit dem er zwei Bücher herausgab, von Anfang an beeindruckt hat. Dass Harry Hardenberg bis heute nicht von der Leidenschaft Fotografie lassen kann, sei aber auch seinem „Glanzstück“, seiner Ehefrau, zu verdanken. Mit ihr ist der Familienvater, Großvater und Urgroßvater seit 52 Jahren verheiratet. Ohne ihre Rückendeckung sei das alles nicht möglich gewesen. Und die nächsten Projekte stehen an: Allein im nächsten halben Jahr zwei neue Veröffentlichungen im Hinstorff Verlag — der Kalender für 2016 „Stralsund, wie es gestern war“ und das „Stralsund-Album“, das in Zusammenarbeit mit der OZ entsteht. Außerdem wird es zwei Ausstellungen unter dem Titel „Woanders“ geben — in der Schweriner MV-Fotogalerie und in der Stralsunder Stadtbibliothek. Nein, ans Aufhören denkt er wirklich nicht, denn: „Das letzte Bild ist noch nicht im Kasten.“ Fotos in rund 120 Büchern veröffentlicht 1935 wurde Harry Hardenberg in Stralsund geboren. Er lernte Maler und begann 1956 mit der fotografischen Arbeit. Sein Studium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst schloss er 1974 als Diplom-Fotografiker ab. 1972 verlieh ihm die Fédération Internationale de l‘ Art Photographique (AFIAP) den Titel Artiste FIAP. Seit 1970 war er als Bildreporter für die OSTSEE—ZEITUNG tätig. Als freischaffender Künstler arbeitet er seit 1984. Hardenberg fotografiert nicht nur seine Heimatstadt Stralsund, Studienreisen führten ihn nach China, England, Rumänien, Polen, Syrien, Frankreich, Russland und in die USA. Seine Bilder sind in rund 120 Büchern veröffentlicht. Marlies Walther

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