Die Bachwoche zu Besuch in Dorfkirchen

Wer kennt es nicht: Plötzliche Krankheit macht kurz vor Wichtigem — etwa einem Konzert — alle Planungen zunichte. Klaus Holsten, vielseitiger Flötist des Axis-Duos der Europäischen Akademie der Heilenden Künste Klein-Jasedow, weiß damit umzugehen. Er kompensierte in Sassen während der Konzertreise der Bachwoche durch mehrere Dorfkirchen den unerwarteten Ausfall seiner Duo-Partnerin (Cembalo) mit dem nicht eben gewöhnlichen Angebot einer Solodarbietung. Im Nachhinein kann man sagen: Schön, dass er uns solche Flötentöne beigebracht hat! Flöte pur, also auch dort, wo ein Cembalo eigentlich unverzichtbar erscheint. Aber selbst dieses Defizit marginalisierte Holsten mit faszinierendem Flötenspiel. Egal, ob 13. Jahrhundert oder Gegenwart, Getragenes oder Tänzerisches, Notiertes oder Improvisiertes — er reizte die Freiheiten metrisch, rhythmisch und melodisch völlig freien, da unbegleiteten Spielens voll aus. Holsten brillierte auf verschiedenen Flöten so unaufdringlich wie überzeugend mit Klangfarbenreichtum und schönster, nie beiläufiger und immer spannungsvoller Tongebung. Flöte allein = langweilig? Mitnichten! In Görmin, der zweiten Reiseetappe, ging es klangüppiger und wesentlich expressiver zu. Kein Wunder, denn mit der Bachschen Bearbeitung (BWV 1083) der berühmten Marienklage „Stabat Mater“ Pergolesis (1710-1736) stand ein Schlüsselwerk seinerzeit neuen, subjektiv-religiösen Komponierens im Mittelpunkt. Bach war von dem Werk beeindruckt — und verlieh seiner Bearbeitung weitere gefühlshafte Vertiefung. Insofern war mit dieser Aufführung dem Bachwochenthema in besonderer Weise Rechnung getragen. Übrigens auch mit den einleitenden Mariengesängen Verdis (Laudi alla vergine Maria), die man in ihrer melodisch intensiven und den Opernstil nie ganz verbergenden Klagegestik getrost auf Pergolesis Kirchenstil zurückführen kann. Christina Wolff (Sopran), Bogna Bartosz (Alt), das Frauenchorensemble St. Nikolai und Mitglieder des Bachwochen-Orchesters sorgten unter Leitung Frank Dittmers für eine ausdrucksstarke Aufführung. Ekkehard Ochs OZ

Sassen/Görmin - Die Bachwoche zu Besuch in Dorfkirchen