Die Bretter, die Boot und Bühne bedeuten

Es braucht weniger zum Leben als man denkt — und auch zum Theaterspielen. Ein Schiffsdeck, ein Schauspieler, drei Jazzmusiker, eine Puppenspielerin, ein paar Mikros und Requisiten — „Willkommen auf dem Ozean, willkommen auf der ,Esperantos‘“, begrüßte Musikerin Antonia Dering am Dienstagabend die Zuschauer und Passanten, die erwartungsvoll auf den Bänken im Museumshafen Greifswald saßen. Auf der ungewöhnlichen Bühne eines Katamarans führten fünf der Besatzungsmitglieder das Theaterstück „Esperantos — Der Klang des Meeres“ auf. Inspiriert von Alessandro Barriccos legendärer Geschichte über einen Ozeanpianisten, die zu den erfolgreichsten postmodernen italienischen Theaterstücken avanciert ist, handelt das Stück von Novecento, der von seinen auswandernden Eltern auf dem Schiff „Virginia“ zurückgelassen wird. Zeit seines Lebens verlässt er dieses Schiff nicht, fasziniert aber die Passagiere mit seinen Klavierspielkünsten. Es ist die erste Bootstheater-Tour, die die zehnköpfige Belegschaft der Esperantos unternimmt. Insgesamt zehn Tage fährt die Crew durch Boddengewässer, um in den Häfen ihr Stück aufzuführen. Die Reise führte sie von Berlin über die Oder nach Stralsund, von dort nach Stahlbrode und Greifswald. Nun geht es weiter nach Loddin, Anklam und Ueckermünde bis nach Stettin in Polen. „Wir wollen den Leuten, die ihre Ferien an der Ostsee verbringen, das Theater näherbringen“, erklärt Regisseurin Dorothea Lübbe. Sechs Wochen haben die fünf Darsteller, die aus Berlin, Wien, München und Regensburg stammen, für das Stück unter der Regie von Lübbe geprobt. Carlotta Dering hat die Marionettenpuppe, die Novecento darstellt, selbst gebaut. Antonia Dering ist freiberufliche Musikerin. Günter Schanzmann, Protagonist des Stücks, ist professioneller Schauspieler in Berlin. Selten konnte man einen 80-Jährigen so beweglich und fidel auf der Bühne erleben wie Schanzmann. Der Schiffsmast wiegt im Wind, die Balken knarren und der Berliner schwingt sich mit Novecento auf eine Schaukel, die am Mast befestigt ist. Für die fiktive Figur Novecento ist das Festland zu diffus, nur auf dem Schiff fühlt er sich geborgen. „Das Land ist eine zu lange Reise“, singt Antonia Dering. Zusammen mit Nils Nolda auf dem Akkordeon und Lukas Bamesreiter auf der Trompete spielen die drei Jazz/Gipsy-Musik vom Allerfeinsten. Die Idee, ein Schiff zu bauen und darauf ein Theater aufzuführen, entstand 2010 zwischen Lübbe und dem Konstrukteur und Kapitän des Katamarans Carsten Riechelmann. „Ich wollte immer schon ein Schiff bauen“, erzählt der Kapitän. Und Lübbe bestätigt: „Carsten ist ein absoluter Tüftler. Seit er selbstständig denken kann, will er ein Schiff bauen.“ Gesagt, getan. Von 2011 bis 2014 schreinerten insgesamt 140 Helfer aus 40 Nationen an dem zwölf Meter langen und etwa sechs Meter breiten Schiff aus Kiefern- und Buchenholz. Der Katamaran verfügt über ein Frauen- und ein Männerabteil mit Schlafkabinen, Bad und Küche sowie ein geräumiges Deck zum Sitzen und Theaterspielen. Strom gebe es so viel, das man Handy und Laptop mal aufladen könne, erklärt der Konstrukteur. Etwa 20000 Euro hat der Bau des Schiffs gekostet. Umso mehr freut sich die Theatercrew über Spenden. In den zehn Tagen Bootstheater-Tour wohnt die Belegschaft natürlich auf dem Schiff. Aber auch dann, wenn der Katamaran im Heimathafen liegt, eigne er sich hervorragend zum Wohnen, erzählt Riechelmann. Der Diplomingenieur will mit seiner Esperantos auf jeden Fall noch die Donau entlang, am liebsten auch durch das Mittelmeer bis nach Ägypten fahren. Jörg Hansel, Zuschauer und Urlauber aus Halle, findet: „Ein schönes Stück. Sehr anspruchsvoll. Ist natürlich genial auf dem Boot.“ Weitere Termine Wer das Theater auf der Esperantos erleben möchte, hat noch mehrmals die Chance in der Umgebung: Heute spielt die Crew in Loddin, morgen in Anklam, am 8. August in Ueckermünde und am 9. August in Stettin. Ein schönes Stück. Sehr anspruchsvoll. Ist natürlich genial auf dem Boot.“Zuschauer Jörg Hansel Annemarie Bierstedt

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