Die Strippenzieher im Sommervarieté

Ein Prima-Ballerina-Gaul, Moonwalk-Michael und die bauchtanzende Beduinenschönheit — ihnen gehört von der ersten Minute an die ganze Aufmerksamkeit des Publikums, sind sie doch einfach drollig, die Geschöpfe aus Holz und Stoff mit ihren riesigen Kulleraugen. Mini-Dlin heißt das St. Petersburger Marionettentheater, ihr Zuhause. Ihre Eltern sind Aleksander Mindlin und Alla Caricina. Sie halten sprichwörtlich die Fäden in der Hand und hauchen mit ganz viel Gefühl ihren Figuren Leben ein, lassen die Puppen auf der Bühne des Binzer Kurhaussaals tanzen. Und das in einzigartiger Manier. Mehrfach preisgekrönt ist das Ehepaar, die bekanntesten aller Puppenspieler weltweit, denn die Lettin und der Russe haben die starren Regeln der Zunft aufgebrochen, sind unkonventionell. „In der Puppenmeisterschule lernst du, dass dein Gesicht komplett verdeckt sein muss bzw. wenn zu sehen, dann ohne jegliche Emotion. Viele schimpfen daher über unsere Form der Kunst“, erzählt Aleksander. Er tritt ebenso wie Alla mit Frack und Zylinder auf, sie zudem mit knallroten Lippen und Fingernägeln. Sie spielen mit ihren Puppen und aber auch selbst mit dem Publikum, denn sie haben Mimik. Und das ist es, was die beiden so sympathisch macht. Ihre Persönlichkeiten gehen nicht über die Puppen hinaus, verschwinden aber auch nicht hinter ihnen. So ist es genau diese Mischung aus zauberhaften Figuren und der Liebe ihrer Schöpfer zu ihnen und ihrer Performance, die den Saal in Binz allabendlich füllt. Etwa 40 Puppen gehören zu Alla (30) und Aleksander (53) und pendeln wie ihre Strippenzieher zwischen den Wohnungen in St. Petersburg und Berlin. Überwiegend sind die Puppen Sonderanfertigungen, entstanden in gemeinsamer Arbeit von Mini-Dlin und dem Großmeister der Puppenmacher, Viktor Antonov. „Üblicherweise haben Puppen zwischen sechs und 20 Fäden. Bei unseren Exemplaren sind es etwa 40. Es erfordert daher schon eine enorme Konzentration, die Fäden richtig zu bedienen und nicht zu verwechseln. Wenn die Puppen in der Werkstatt die Hüllen fallen lassen, sieht man erst einmal, wie viel Technik da eigentlich drin steckt. Wir haben zum Beispiel auch Fäden für die Augenlider. Unsere Puppen legen sich hin, Rollen mit den Augen, sind einfach sehr lebhaft“, sagt Aleksander, der diplomierter Physiker ist und erst im Zweitstudium die Theaterakademie in St. Petersburg an der Fakultät der Puppenspieler absolvierte. Auch Alla ist über einen Umweg an die Marionetten gelangt. Sie studierte zunächst Bühnenschauspiel in Riga. Nach dem Abschluss bildete sie sich an einem Puppentheater weiter. Das bestellte damals Aleksander als Lehrer. Die beiden trafen aufeinander, verliebten sich. Seit 2008 sind sie verheiratet und treten als Mini-Dlin gemeinsam auf. Ihr Auftritt im Binzer Sommervarieté dauert nur einige Minuten, normalerweise füllt ihre Show aber einen ganzen Abend. Hinter den Kulissen immer dabei ist Sir Patrick, ihr weißer Pekinese. In Binz hat er aber selbst sein Bühnendebüt. Am Ende des Auftritts versammeln sich alle Künstler noch einmal vor dem Publikum. Aleksander und Frau ernten stehenden Applaus gemeinsam mit Sir Patrick, den das Herrchen an einem Puppenspieler-Holzkreuz — allerdings ohne Fäden — neben sich laufen lässt. Wieder ein Moment, in denen das Paar seine komische und sehr humorvolle Seite zeigt. Nachdenklich wird es allerdings bei der Frage nach seiner Lieblingspuppe. „Wir haben alle unsere Puppen lieb, sie sind unsere Kinder. Es gibt immer ein paar Puppen, die das Publikum vielleicht nicht so mag. Wir geben dann jenen, die weniger Aufmerksamkeit erfahren, einfach mehr Liebe“, so Alla. Die größte Portion bekommt aber mit Abstand Sohn Daniil, der in Binz seinen dritten Geburtstag feierte. Ihr Lieblingsplatz auf Rügen: „Karls Erdbeerhof. Da waren wir schon acht Mal“, lachen Mini-Dlin. OSTSEE-ZEITUNG Lokalnachrichten für: Binz, Sellin, Baabe, Göhren, Middelhagen, Thiessow, Lancken-Granitz, Gager Redakteurin: Gerit Herold OZ-Bäderbüro, Seeparkpromenade 1, 18586 Sellin, ☎ 03 83 03 / 37 11 70, Fax: 03 83 03 / 37 11 71 Sommervarieté im Kurhaussaal — Kartenverlosung 13 Künstler sind noch bis zum 19. September, immer montags bis freitags 20.30 Uhr, in der Show des Sommervarietes im Kurhaus Binz zu erleben. Donnerstags findet eine Zusatzveranstaltung um 17 Uhr statt, die für alle Frühzubettgeher und Familien gedacht ist. Diese erhalten übrigens mit Kindern bis zwölf Jahren zehn Prozent Rabatt. Die Abendkasse im Kurhaus ist Montag bis Freitag von 16-21 Uhr besetzt. Die OZ verlost für die Vorstellung am Montag, 24. August, 5x2 Freikarten. Die ersten fünf Anrufer, die sich heute in der Zeit von 13 bis 13.05 Uhr unter 03838/2014831 in der Redaktion melden, gewinnen. • www.sommervariete.com Steffi Besch

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