Doppelte Lorbeeren für „Rona & Nele“

Der Siegerfilm der gestern zu Ende gegangenen 9. Ahrenshooper Filmnächte heißt „Rona & Nele“. Von sechs Filmen räumte dieser 2012 produzierte Wettbewerbsbeitrag alle Preise ab, die das Festival zu vergeben hatte. Er wurde am Samstagabend nicht nur mit dem Publikumspreis ausgezeichnet, auch die Jury hatte ihn zum „Besten Film“ gekürt. „Niemals fällt ein Wort zu viel. Mit wenigen Blicken und Situationen werden ganze Menschenschicksale gemalt und ernst genommen, bis in die kleinste Nebenfigur“, begründete Schauspielerin Catherine Flemming im Namen der Juroren die Entscheidung. Die Bilder seien voller Poesie. Sie blieben im Kopf hängen und flackerten auch Tage später immer wieder wie freundliche Geister im Oberlicht der eigenen Gedankenburgen auf. „Im Balanceakt zwischen hinreißendem Humor, verspielten Ideen, tragischer Rauheit und menschelnder Liebenswürdigkeit bleibt 'Rona & Nele' immer seinen Figuren treu“, stellte Flemming heraus. Die Drehorte seien echt. Die Kamera, noch gutes altes, körniges 16-Millimeter-Material, befinde sich meistens auf der Schulter und nicht auf dem Stativ. „Die Musik schwebt im Spannungsverhältnis zwischen Zurückhaltung und ausgelassenem Lebensgefühl, das Sounddesign verstärkt präzise und subtil die inneren Zustände seiner Protagonisten“, hob Flemming in der Laudatio weiter hervor. Keine Figur, kein Handlungsstrang erzähle zu viel und trotzdem bleibe der Film voller Überraschungen. „Eine kleine Geschichte — ganz groß“, fasste Catherine Flemming die Meinung der Juroren zusammen. Außer ihr gehörten der Jury noch die Filmemacher Sarah-Judith Mettke und Axel Radisch an. „Wir diskutierten sehr kontrovers“, erklärte Radisch. Manchmal noch anderthalb Stunden nach dem Film und dann am nächsten Morgen schon gleich wieder ganz lange beim Frühstück. „Wir haben sehr wild diskutiert, was wir abwägen können: Wo war das Drehbuch besonders gut gebaut, wo hatte der Film 'n tolles Anliegen, wo war die Regie sensationell, wo waren die Schauspieler toll und gab es kritische Aspekte. Das ging schon sehr ins Detail“, beschrieb Axel Radisch. Er und seine Jurykolleginnen bewerteten alle Gewerke, die an einem Film beteiligt sind. Von der Kamera bis zum Szenenbild. „Einige der Filme haben wir uns auch zweimal angesehen — wenn wir uns uneinig waren“, sagte Catherine Flemming. Silvia Chiogna konnte die beiden Preise für ihren Film nicht persönlich entgegennehmen, weil sie auf einem Dreh in Norditalien weilte. Über ihr Smartphone schickte die junge Regisseurin eine Grußbotschaft. Das Video wurde während der Preisverleihung im Grand Hotel & SPA Kurhaus Ahrenshoop auf eine Leinwand übertragen. „Ich freue mich riesig“, sagte Silvia Chiogna. Symbolisch gab sie die beiden Auszeichnungen an ihre Filmcrew weiter. „Ich danke den Hauptdarstellern, den Nebendarstellern, allen, die den ganzen Tag und die ganze Nacht gedreht und sich total angestrengt haben, dass wir es schaffen, dieses Lebensgefühl und diese Atmosphäre auf die Leinwand zu kriegen, die wir erzählen wollten“, sagte Chiogna. Für Oliver Hübner war es das letzte Mal, dass er die Ahrenshooper Filmnächte als künstlerischer Leiter begleitet hat. „Ich bin dankbar für die vielen wundervollen Begegnungen mit den Filmteams, mit der wundervollen Jury. Ich habe es genossen und wünsche dem Festival alles Gute“, verabschiedete sich Hübner, der sich beruflich umorientiert hat. Nächstes Jahr nun die zehnte Auflage der Ahrenshooper Filmnächte. „Wir werden weiter an der Attraktivität der Ahrenshooper Filmnächte arbeiten. Wir haben den Anspruch, aus der kleinen Pflanze ein richtig großes Filmfest zu machen“, sagte Kurdirektor Roland Völcker. Er wünschte, „zusammen mit dem Filmkunstfest in Schwerin ein Festival zu entwickeln, um das Filmland Mecklenburg-Vorpommern würdig zu präsentieren“. Vor der Aftershow-Party mit Ulla Meinecke und Band im Foyer des Kurhauses war der 90-minütige Siegerfilm noch einmal zu erleben. Der Preis „Bester Film“ ist mit 2000 Euro dotiert. Er wurde von der Kurverwaltung und dem Grand Hotel & SPA Kurhaus gestiftet. Der Siegerfilm Nele, eine erfolglose und einsame Studentin, lebt bei ihrer Mutter in Berlin. Ihr Leben plätschert so vor sich hin. Das ändert sich, als sie die unkonventionelle Rona beim Klauen im Supermarkt und Wühlen in einem Container beobachtet. Nele heftet sich an ihre Fersen und findet heraus, dass sie in einem leer stehenden Haus in Friedrichshain wohnt. Dabei macht Rona äußerlich überhaupt keinen mittellosen Eindruck. Sie ist immer cool gekleidet. Des Rätsels Lösung: Rona klaut und betrügt sich konsequent durchs Leben. Die beiden Frauen freunden sich an. Detlef Lübcke

Ahrenshoop - Doppelte Lorbeeren für „Rona & Nele“